Willi Klinkhammer: Krankenhausseelsorge im staatlichen und kirchlichen Recht - Studia Theologica Budapestinensia 21. (2000)
2. Anthropologische und theologische Grundlegung der Seelsorge im Krankenhaus - 2a) Der kranke Mensch
Diese Sicht der Dinge, in der die Krankheit sich „als Frage an den ganzen Menschen darstellt",50 setzt ein Bild des Menschen als ein „äußerst kompliziertes Wesen aus Leib und Seele" voraus.51 Diese fundamentale Wahrheit von der psychosomatischen Einheit des Menschen zeigt die wahrhaft ganzmenschliche Dimension der Krankheit mit der Schlußfolgerung, daß es eigentlich gar keine Krankheiten, sondern nur Kranke gebe.52 Wenn wir den Begriff der Krankheit dennoch beibehalten, dann unter der Prämisse, daß „Krankheit als menschliches Vorkommnis (...) immer nur antreffbar als ein leibseelisches in einer zwar abstrakt unterscheidbaren, aber real immer imauflösbaren Einheit"53 betrachtet werden kann. Im Krankheitsgeschehen stellt sich der leidende Mensch die Frage nach eigener oder fremder Schuld für seine neue Situation.54 Eine Verhältnisbestimmung von Krankheit und Schuld im theologischen Sinne erscheint allerdings schwierig; nicht zuletzt weil „Krankheit jeder außerbewußte bzw. vorbewußte Tatbestand einer Behinderung des Organismus im Bereich der ihm eigenen Lebensdynamik ist (...) gibt es Krankheit ohne persönliche Schuld aus der Gebrechlichkeit des somatischen Bereiches des Menschen".55 Darüber hinaus enthält die christliche Offenbarung keine Aussage darüber, „inwiefern Sünde zur Krankheit führt oder Krankheit Anlaß zur Sünde gibt".56 Eine Exkulpation des Menschen also, die aus „Einschränkungen der Freiheit" oder sogar aufgrund „verminderter Zurechnungsfähigkeit" entsteht, leugnet aber nicht die Möglichkeit der Krankheitsursache aufgrund fremder oder eigener Schuld;57 die Krankheit ist aufgrund der ihr eigenen Dialektik in einer theologischen Anthropologie 50 Rahner, Bewährung, S. 265. 51 Ebd. 52 Didier, Sp. 80. 53 Rahner, Bewährung, S. 266. 54 Roth/Schild, S. 183. 55 Wörterbuch, Artikel: „Krankheit und Schuld”, Sp. 610. 56 In der Bibel wächst solch ein Bewußtsein erst heran: Suchte man zunächst mit Jahwe auf kultischem Wege „ins reine” zu kommen (Mich6,6f.) so wurde im Laufe der Zeit durch die Reflexion Krankheit entweder als Prüfung (vgl. Hiobl.lf-) oder als heilsame Zucht verstanden für persönliche Sünden, vgl. Didier, Sp. 80ff. 57 Vgl. Wörterbuch, Artikel: „Krankheit und Schuld”, Sp.610. 23