Gudrun Bohle: Die Frage der Läuterung im Alten Testament - Studia Theologica Budapestinensia 20. (1998)
II. - II.1. Jesaja 6,1-11
schriftliche alttestamentliche Tradition. Allein O.Kaiser sieht in seinem Kommentar Verbindungen zur Tradition des Heiligkeitsgesetzes; aber dies geschieht unter der Voraussetzung, daß Jes 6 erst aus einer späteren, d.h. exilisch-nachexilischen Zeit stammt.69 IL1.3.3. Elemente der Theophanietradition. v.4a: D'rcn JllDK iya'1 es erbebten die Grundfesten der Schwellen 4.b: N^E' iram - der Tempel füllte sich mit Rauch Jes. 6 ist keine Theophanie70 im eigentlichen Sinn: Jahwe kommt nicht im Zorn gegen seine Feinde, sondern er ist schon gegenwärtig da in seinem Tempel; es handelt sich bei den Folgen, an denen die Gegenwart Gottes erkennbar wird, auch nicht um einen Aufruhr der Natur.71 Die Entstehung und Ausformung der Gattung der "Theophanie" ist im Jahweglauben mitbeeinflußt von der Sinaitradition72. Es muß also eine solche "Theophanie- oder Erscheinungs-Tradition" auch außerhalb dieser Gattung gegeben haben. Diese hat sicher auf Jesaja eingewirkt. 73 Beben und Rauch sind Erscheinungen, die die Gegenwart Jahwes deutlich machen74. Für Jesaja sind diese Elemente sehr nützlich, dem Zuhörer deutlich zu machen, daß Jahwe ihm in diesem Ereignis tatsächlich wirkmächtig nahe war - wie früher anderen-----------«ar Dieser Befund erklärt sich weniger durch eine direkte Abhängigkeit Jesajas von mythologischen Texten aus Ugarit als vielmehr durch die Feststellung, daß in Kap. 6. kultischer Sprachgebrauch vorliegt. Dieser verweist auf die Jerusalemer Kultpraxis, die viele kanaanäische Züge trägt.” 69 O.Kaiser, ATD 17, 51981, S. 128. 70 J.Jeremias, Theophanie. Die Geschichte einer alttestamentlichen Gattung, 21977. 71 Unter Berufung auf R.Knierim und O.H.Steck spricht allerdings auch J.Jeremias in einer Anmerkung (ebd., S. 173f. zu S. 71) davon, daß Jes. 6,4 in der Berufungsvision “Theophaniecharakter (in bewußter Abwandlung der Tradition)" habe. 72 ebd., S. 165. Am Sinai hat demnach die “Urerscheinung Jahwes” stattgefunden. 73 Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Sinaitradition selbst bei Jesaja nicht direkt spürbar ist. 74 O.Keel, Jahwevisionen und Siegelkunst, 1977, S. 121. Sie sind “normale Reaktionen auf eine Theophanie...., erklären sich aus der Gegenwart Jahwes". 43