Anton Millner: "Die Gefangenenseelsorge" - Studia Theologica Budapestinensia 1. (1990)

IV. Kapitel. Der Adressat der Arbeit des Seelsorgers im Gefängnis - die Persönlichkeit des straffällig gewordenen Menschen

3) Die Aufnahme in die Anstalt erfolgt durch Zwang (Urteil). 4) Durch das Urteil und die Aufnahme in die Anstalt gehört man zur sozialen Gruppe der Kriminellen, der Strafgefangenen. Der offiziel­len Nivellierung (alle Gefangenen sind gleich) steht die inoffizielle, die sogennannte Subkultur, gegenüber. Diese entwickelt ein oft erschreckend wirksames Gegensystem der Verurteilten, das alles Resozialisierungsbemühen der Beamtenschaft zunichte machen kann.1 5) Die Insassen werden durch die Anstalt vollständig verwaltet, ver­sorgt und kontrolliert. Die Anstalt wird mit der Dauer der Strafe immer mehr zur Vaterfigur, die eigene Unabhängigkeit nimmt ab. 6) Diese Verwaltung und Versorgung geschieht durch ein eigenes Per­sonal, die Justizwachebeamten. Sie sind den Insassen in allen Be­langen übergeordnet. Beide Gruppen haben grundsätzlich verschie­dene Interessensrichtungen. Daraus müssen sich notgedrungen Folgerungen ergeben, die in Fortsetzung von Heim- und (oder) vorherigen Haftaufenthalten noch verstärkt werden: 1) Die Gefahr der Abstumpfung. Immer der gleiche Rhythmus, Tage­sablauf, Essen, Freizeit usw. Der Gefangene hat keine Möglichkeit, sich die Gesellschaft oder Beschäftigung zu suchen, die seinen Wünschen entspricht.1 2 2) Die Belastung der sozialen Bindungen zu Familien und Freunden durch den Haftaufenthalt. Besuche und Briefe sind die einzigen Kontakte zur Aussenwelt. Sie sind überwacht und reglementiert, und letztere haben ihre illegalen Spielarten.3Wird der Gefangene schon nach drei oder vier Monaten entlassen, besteht die Möglich­keit, dass das Leben dort weitergeht, wo es duch die Strafe unter­brochen wurde. 1. WÜRTENBERGER, Thomas: Kriminalpolitik im sozialen Rechtsstaat, Stuttgart 1907, S. 224. 2. MATTHIAS, Friedrich: Im Gefängnis ist alles anders, Frankfurt 1956, S. 138. 3. Ebd., S. 170. 36

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