Folia Theologica 19. (2008)
Kocsis Imre: Petrus und sein Dienst in den schriften des Neuen Testaments
116 KOCSIS, Imre den, sondern auch die Bestätigung des im Kreis der Jünger eingenommen Platzes (des Primats), und sogar eine neue Aufgabe: Petrus muss von nun an die Rolle des Hirten in der Herde Christi einnehmen. Das Bild des Hirten ist wohlbekannt in den Schriften des antiken Orients. Auch im Alten Testament trifft man es häufig, sowohl in bezug auf Gott, als auch in bezug auf die Könige. Die Herde als Hirte zu hüten, bedeutet das Volk mit Macht zu regieren. Im Alten Testament ist der oberste Hirt JHWH selber; die irdischen Hirten, die Könige sind an seiner Herrschermacht beteiligt. Im Neuen Testament, vor allem im Johannesevangelium ist Jesus der wahre Hirte, wie es die schöne Allegorie im Kapitel 10 darstellt. Der Auftrag, der Petrus übergeben wurde, bekommt gerade im Lichte des 10. Kapitels eine tiefere Bedeutung. Nach seiner irdischen Mission macht Christus den Petrus zu seinem irdischen Stellvertreter, zum Hirten der Schafe, bzw. er übergibt Petrus seine eigene pastorale Mission, natürlich mit all jener Verantwortung und Macht, die damit einhergeht. „So unpassend eine streng rechtliche Interpretation ist, lassen sich doch ein autoritativer Auftrag des Auferstandenen und damit eine Teilhabe des Petrus an der Jesus vom Vater zugewiesenen Aufgabe, die ihm ,gegebenen', zu seiner Glaubensherde gehörenden Menschen zu behüten und zu leiten (vgl. 6,37-40; 10,27-30; 17,6-12), nicht übersehen."37 Es ist auffällig, dass für die Hirtenaufgabe zwei Verben zu finden sind: ßÖGKOO und noipaivco. Das erste bezieht sich auf die Pflege und auf das Füttern der Schafe, das andere bezieht sich aber eher auf die Führung und den Schutz der Schafe durch die Macht.38 Der wechselnde Gebrauch der zwei Verben deckt im wesentlichen alle Aspekte des pastoralen Aufgabenkreises: sowohl die persönliche Versorgung, als auch die verantwortungsvolle Führung.39 Wir dürfen aber nie vergessen, dass in Joh 10 der bestimmendste Aspekt die Liebe des Hirten ist, der auch dazu bereit is, für die Schafe auch das Leben zu opfern (10,15). Auch bezüglich der Schafe gibt es verschiedene Substantive (ápvía, Ttpoßaxa, 37 Vgl. R. SCHNACKENBURG, Das Johannesevangelium III, Leipzig 1977, 435. 38 Vgl. BROWN, John, 1105; SCHNACKENBURG, Johannesevangelium, 433. Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang einen Satz von Philon von Alexandrien zu zitieren: „Diejenigen, die weiden (ßöoKCü), geben auch Speise ..., die aber, die wachen (noipaivco), haben die Macht der Herrscher und der Stadthalter inne." (Quod deterius VIII 25). 39 Vgl. GNILKA, Petrus, 172.