Folia Theologica 18. (2007)
Imre Koncsik: Synergetische Hermeneutik - Grundlagen und Perspektiven
SYNERGETISCHE HERMENEUTIK 87 dersetzenden Bewegungen explizit nicht nur die Eigenschaften der Kräfte widerspiegeln, die sie konstituiert haben3. Dennoch reicht eine Erklärung aus den Initialbedingungen eines Systems aus4, sofern "natürliche Sprunghaftigkeit"5 und Evolutionskapazität als automatisiertes Charakteristikum biologischer Systeme anerkannt werden: die Holistizität eines sich neu stabilisierenden Systemablaufmusters erklärt sich als "Eigenwüchsigkeit“ des Ursprungssystems aus den "Wirkprinzipien" der "Eruptivität", "Volatilität", "Stabilität" und "Inhibilität"6. Dadurch scheint ein Systemismus gegenüber den beiden Extremen des "Holismus" und "Atomismus" gerechtfertigt7: weder gehen die Einzelelemente ihre eigenen Wege noch werden sie holistisch exakt informiert8, sondern evolvieren konsensualisiert in Richtung der höchsten Wahrscheinlichkeit des Ablaufmusters des Gesamtsystems9. Am Beispiel der Embryonalentwicklung lässt sich das wundersame Ineinanderfügen von Bewegungen illustrieren: „Es sind Binsenweisheiten, dass sich in den frühesten Embryonal-Stadien die Zellen bereits sehr kräftig bewegen, dass sich Membranen krümmen, dass Phänomene wie Exozytose und Endozytose (Ausschleusungsund Einschleusungs-Vorgänge), dass sich vor allem der hochenergetische Stoffwechsel auch und gerade an solchen Zellen abspielt, 3 SCHM ID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 174 4 SCHM ID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 172 5 SCHMID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 182 6 SCHMID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 171 7 SCHMID-SCHÖNBEIN (Anm. ), 181 8 „Exakt“ meint linear-reziprok „eins zu eins“: jeder energetischen Ausführung einer Bewegung o.ä. würde mindestens ein bit an Information korrespondieren, das direkt mit dieser Bewegung verbunden ist. - Ähnlich linear ist übrigens die Konzeption von Eccles betreffs der mental-neuophysiologischen Interaktion (vgl. ECCLES, J., Wie das Selbst sein Gehirn steuert, München 32000. Hier werden andere und ähnliche Ansätze von Denett, Edelman, Hodgson, Penrose, Margenau, Stapp, Sperry, Changeux, Searle ebenfalls kurz referiert (52-93)). 9 Daher widerspricht nach SCHMID-SCHÖNBEIN die synergetische Deutung nicht dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik von BOLTZMANN. SCHMID- SCHÖNBEIN (Anm. ), 120. Philosophisch verhält es sich so, als ob das System als ganzes wirken würde, bevor es sich realisiert; also wirkt es während und in der Realisierungsphase sowohl in und an den Einzelelementen als auch in und an „sich selbst“ als holistisches „Neues“, das „in Erscheinung tritt“.