Folia Theologica 16. (2005)

Bronisław Wenanty Zubert: Die Bedeutung der Klausel "Si puella apparet cognita" in der Kanonistik des ausgehenden Mittelalters

DIE BEDEUTUNG DER KLAUSEL 247 sehen schwer wiedergeben, Anm. d. Übers.). Von ihrer Bedeutung zeugen detailliert ausformulierte kirchliche Gesetze sowie ausführ­liche Kommentare zu Aussagen De sponsalibus. Darüber hinaus war die ganze Familie an der Verlobung interessiert, weil sie sich mit zahlreichen materiellen Leistungen verbunden waren, die nicht nur für die Nupturienten, sondern auch für ihre Familien oft eine existentielle Bedeutung hatten. Daher galt auch die Auflösung der Verlobung - von der Störung der familiären und interpersonalen Beziehungen sowie von der Erniedrigung der verlassenen Partei einmal abgesehen - als eine evidente Rechtsverletzung und wurde daher auch strafrechtlich sanktioniert. 2. Das Altershindernis, in dessen Kontext die hier besprochene Klausel formuliert wurde, hatte damals nur eine relative Bedeu­tung, d. h. es war keineswegs mit der Erreichung der juristischen Ehefähigkeit verbunden, und damit war es auch nicht durch eine Ehenichtigkeitserklärung sanktioniert. Entscheidend war die fakti­sche Reife, deren evidenter Prüfstein die Fähigkeit war, den Ge­schlechtsverkehr vollziehen zu können. 3. Es entsteht dabei natürlich auch die Frage, ob die dem ge­schlechtlichen Verkehr - aus heutiger Sicht übertrieben - zugemes­sene juristische Bedeutung und die vor seinem Hintergrund kon­struierte Präsumtion des Ehekonsens nicht etwa die Rolle der be­wussten und freiwilligen Zustimmung faktisch einschränkte. Ich bin überzeugt, dass eine solche Feststellung doch zu voreilig wäre. Dem Stand des damaligen Wissens vom Menschen entsprechend wurde angenommen, dass physische und psychische Reife gleich­zeitig erreicht werden, und daher galt derjenige, der physisch ehe­tauglich war, auch psychisch für ehetauglich. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die Klausel nisi malitia suppleat aetatem um den Zusatz vel prudentia bereichert wurde. Den päpstlichen Erklärungen und der einheitlichen Meinung der Kanonisten gemäß galt als causa efficiens der Ehe nicht sola copula nude considerata, sondern der Ehe­konsens. 4. Die Anwendung der Klausel »Si puella apparet cognita« diente meiner Meinung nach der Bildung verantwortlicher moralischer Verhaltensweisen und war Ausdruck der Sorge um die Würde der Frau, und zwar insbesondere im Falle einer Ehe inter inaequales,

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