Folia Theologica 15. (2004)
Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland
90 H. MENDL sich an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung und im Grundgesetz niedergelegt sind. Im übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen."51 Lehrpläne für den Ethikunterricht wurden für alle Schularten entwickelt. In konzeptioneller Hinsicht werden materiale, philosophisch-reflek- tierende und verhaltensorientierte Lernebenen miteinander verschränkt. Es geht um die Thematisierung von allgemein verbindlichen Werten und Normen, um ihre Reflexion und Begründung sowie den Aufweis ihrer Verhaltensrelevanz und die Befähigung zum werteinsichtigen Urteilen und Handeln. Im Fachprofil des neuen gymnasialen Lehrplans wird das Selbstverständnis des Ethikunterrichts so eingeleitet:52 „Das Fach Ethik unterstützt die Suche junger Menschen nach einer verlässlichen moralischen Orientierung in der Welt von heute. Es basiert auf der Grundsituation, dass Menschen für ihr Handeln auch eine ethische Entscheidungskompetenz benötigen. Ethik greift dabei auf Entwürfe zurück, in denen bewährte lebenspraktische Einsichten in einer langen Entwicklungslinie mit Hilfe philosophischer Denkweisen eine neue Deutung und Legitimierung erfahren haben. Die Jugendlichen können diese Entwürfe und Theorien mit den von ihnen selbst entwickelten Vorstellungen vergleichen und dabei entdecken, dass auch ihre eigenen Gedanken sich im Ansatz mit bestimmten Denktraditionen berühren. Überlegungen zu Moralprinzipien, die andere Menschen angestellt haben, können so zum Maßstab für eigene Überlegungen und damit zu einer Orientierungshilfe für das eigene Leben werden." Überblickt man die Lehrpläne der einzelnen Jahrgangsstufen, dann fällt im Vergleich mit dem Lehrplan für den Katholischen Religionsunterricht tatsächlich der Verzicht auf jede zielgerichtete Normativität und das Bemühen um eine wertorientierte weltanschauliche Neutralität jenseits der beschriebenen ethischen Minimalkonsenses ins Auge: der Schüler soll als autonomes Subjekt zur Bildung eines eigenen Wertebewusstseins und zu einem entsprechenden Handeln befähigt werden. 51 BayEUG, Art. 47 (2). 52 Lehrplan für das bayerische Gymnasium. Fachprofil Ethik, München 2003 (erst in der Internet-Version erhältlich).