Folia Theologica 15. (2004)
Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland
82 H. MENDL nes Pflichtfaches Religionsunterricht wegen der geringen Zahlen konfessioneller Schüler drastisch; in den Landesverfassungen wird dem zum Teil dadurch Rechnung getragen, dass die Mindestzahlen für die Einrichtung von RU recht niedrig gehalten sind. Dies gilt vor allem für die katholische Kirche. Auch die katholischen Bischöfe sind hier realistisch genug, um in extremen Diasporagebieten eine Offenheit auf einen konfessionell-kooperativen RU hin bzw. auf die Ermöglichung des Gaststatus im je anderen Religionsunterricht anzudeuten.33 Zwei weitere Aspekte signalisieren die Bedeutsamkeit des Faches: In manchen Bundesländern wird die Trennung von Religions- und Ethikunterricht recht konsequent verfolgt; gegenseitige Bezüge in den jeweiligen Lehrplänen sind nur spärlich angelegt bzw. fehlen völlig. In anderen Bundesländern konzipiert man eine gemeinsame Fächergruppe der ethisch-relevanten Fächer - katholischer RU, evangelischer RU, RU anderer Religionsgemeinschaften, Ethikunterricht (z.B. in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt)34 und fordert wie in Schleswig-Holstein zur Kooperation und gemeinsamen Projektarbeit auf. Die katholische Kirche in Berlin plädiert übrigens auch für die Einrichtung einer solchen Fächergruppe, um einerseits endlich auch in der Bundeshauptstadt ordentlichen RU gemäß Art 7 GG einzuführen und gleichzeitig der pluralen Bevölkerungszusammensetzung im Ballungsraum Berlin Rechnung zu tragen.35 Der zweite Indikator für die Fach-Wertigkeit: Während in manchen Bundesländern Studium und Ausbildung zum Ethik-Lehrer schon längst über die entsprechenden Lehrerprüfungsordnungen geregelt ist, konnte man in anderen Ländern das Fach bis in die Gegenwart hinein nicht eigens studieren, sondern erhielt über Nachoder Nebenqualifizierungen an Lehrerfortbildungsanstalten oder einfach deshalb, weil man sich dazu bereit erklärte, die Berechtigung zum Unterrichten von Ethik.36 In Bayern beispielsweise wird erst mit der novellierten Lehrerprüfungsordnung von 2002 das Stu33 Vgl. Die bildende Kraft des Religionsunterrichts, 60. 78 34 Schwillus, 42. 62. 35 Vgl. R. von STÜLPNAGEL, Keine Bildung ohne Religionsunterricht, in R. BÜSCH (Hg.), Integration und Religion. Islamischer Religionsunterricht an Berliner Schulen, Berlin 2000, 202-210, bes.206f; Schwillus, 9.