Folia Theologica 15. (2004)

Hans Mendl: Ethikunterricht in Deutschland

ETHIKUNTERRICHT IN DEUTSCHLAND 75 letzten Jahrhunderts in Deutschland: Im Nationalsozialismus wur­den einerseits Religionsunterricht und Kirche aus den Schulen ver­drängt und andererseits der gesamte Unterricht zum Weltanschau­ungsunterricht im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie um­funktioniert.11 In der DDR gab es das zentrale Fach der „Staatsbür­gerkunde" - ein sehr gesellschaftsprägendes und nachhallendes Gebilde. Auch hier bestand das Ziel in der Erziehung zur staatstra­genden Moral, nämlich der kommunistischen Ideologie. Beide Phasen der deutschen Geschichte sind insofern auch für die Frage der Bedeutsamkeit und Verankerung eines Religions­und Ethikunterrichts grundlegend, weil seitdem eine gewisse Skep­sis mitschwingt, was die Kompetenz des Staates bei der Fundierung ethischer Grundsätze betrifft.12 Der vielzitierte Satz des früheren Verfassungsrichters Ernst- Wolfgang Böckenförde lautet: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."13 Für den Religionsunterricht ist dies insofern mustergültig gelöst, weil er als staatliches Schulfach zwar allen rechtlichen Be­dingungen schulischen Unterrichts entsprechen muss, inhaltlich aber in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften liegt. Inso­fern ist die Begründbarkeit eines Ethikunterrichts ein ständig dis­kutiertes Thema, wie auch der Streit um LER in Brandenburg zeigt. 3.4. Aktuelle konzeptionelle Begründungsmuster und Probleme Fazit: Die Einführung eines Ethikunterrichts in Deutschland ist von pluriformen Strömungen gespeist. Man kann aufklärerische, proletarisch-sozialistische, liberal-deutschnationale, nationalsoziali­11 I. von. KUTZSCHENBACH - M. SPORER, „Alltag, der nicht alltäglich war". Passauer Schülerinen erinnern sich an die Zeit zwischen 1928 und 1950, Passau 2. A. 2000, 50-51 (Aufsatzthemen aus dem Deutschunterricht der Oberrealschule 1937/38). 12 Vgl. SEIFERLEIN, 50: Der Staat gilt seit dem II. Weltkrieg als „moralisch diskreditiert“. 13 E.-W. BÖCKENFÖRDE, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säku­larisation, in Recht, Staat, Freiheit. Studien zur Rechtsphilosophie, Staats­theorie und Verfassungsgeschichte, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 914, Frankfurt am Main 1991, 92-114, hier 112. Erstmals erschienen in: Sä­kularisation und Utopie. Ebracher Studien, Ernst Forsthoff zum 65. Geburts­tag, Stuttgart 1967, S. 75-94.

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