Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
28 Ch. GOBEL mitgegeben hat. Er säubert sie und ergänzt sie, er präzisiert sie und erprobt sie in neuerlichen Anwendungen, und schließlich ordnet er sie zu dem ganzen Text, der nun tatsächlich als umfassende geistig-geistliche Übung kreiert wird. Das ist der pädagogische Impetus des Ad Monachos, daß es als eine solche Übung monastischer »Philosophie' für und nach dem Wege geistlichen Fortschrittes konzipiert ist. So verstehen wir, warum Evagrius seinen Text nach einer derart komplizierten Struktur anlegte. „He was in love with wisdom. He was philosophizing. He wanted to share this love and provoke it in others. He created a spiritual exercise. In it he created a literary shape which mirrored the shape of the divine economy whose outlines he had come slowly to discern in his own search for wisdom. He trusted this shape to take his disciples where it was taking him. It is the shape of faith leading to love and love leading to knowledge of the Holy Trinity"60. Wo aber liegen nun die entscheidenden Differenzen zwischen der evagrischen Seelenführung und der platonischen Dialektik? Sie sind in dem Anspruch beider Bildungswege und in dem Bewußtsein der Lernenden zu sehen, die sich diesen Wegen überantworten. Denn was im Falle des platonischen Sokrates zurückgewiesen werden mußte, wo es um einen angeblich herrschaftsfreien Diskurs über eine vorgeblich auch dem Führenden noch ungewisse Wahrheit ging, kann im Falle des monastischen Weges zu Christus als geeignete, sogar natürliche Methode und Grundprinzip der Bildung überhaupt bestehen bleiben: die Vorauswahl des besten Lernweges durch den schon Wissenden. Tatsächlich hat sich der Schüler, der sich einem monastischen Lehrer anvertraut, ja schon zuvor für die bestimmte Prägung seines Weges zur Wahrheit entschieden, das Ziel ist - zumindest als Horizont der Suche - auch ihm schon bekannt: Christus oder der christliche Gott bzw. im Ad Monachos konkret das Geheimnis der Trinität. Um dorthin zu gelangen, überantwortet man sich einem älteren Mönch, einem geistlichen Vater, einem „Geistträger"61, gerade weil man darauf vertraut, daß dieser den rechten und besten Weg dorthin wissen wird, ohne daß man selbst dessen Gestaltung übernehmen müßte. Dies ist die Aufgabe des Meisters oder geistlichen Vaters - und eine solche geistliche 60 DRISCOLL 1991, 383 61 IVANKA, a.a.O., 290