Folia Theologica 15. (2004)
Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins
PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 17 Epiktet fordert die Rückkehr zu sich selbst31, und der stoische Weg ins Innere ist von konkreten Übungen zur askesis begleitet, die darin gipfeln, den daimon freizulegen. Dieser ist die eigentliche Bestimmung des Menschen, das eigentliche Selbst, die vernünftige Seele: „Was begehrst Du noch, wenn die Vernunft ihre Pflicht tut?"32. Der Dämon ist die urbildliche, ideale Persönlichkeit gegenüber der empirischen Persönlichkeit, und der Mensch hat die Aufgabe, die letztere der ersteren immer mehr konform zu machen33. Das geschieht, indem das ganze Denken von allen Äußerlichkeiten und leibverhafteten Leidenschaften und Triebregungen befreit wird. Dies versteht z.B. Marc Aurel als sokratische Selbstprüfung34. Der Reinigungsweg der Seele zur höchsten Erkenntnis wird schließlich im Neuplatonismus (der auf das frühe Christentum besonderen Einfluß hat) bei Plotin noch einmal systematisch zu einem Weg geistig-geistlichen Fortschritts ausgebaut mit konkreten methodischen Vorgaben, die der philosophische Schüler einzuüben hat. Porphyrios faßt diesen Weg in zwei Grundübungen zusammen35: erstens die Trennung von äußerem und innerem Mensch, die Trennung des Denkens von allem Fleischlich-Leiblichen und Sterblichen; zweitens die Wendung zur eigentlichen Aktivität des Intellekts. Dabei schließt die erste Übung strenge körperliche Askese ein, konkret z.B. vegetarische Ernährung, und die zweite Einzelübungen zur Erkenntnis der Immaterialität und Unsterblichkeit der Seele. Der neuplatonische Weg ist dabei von Bemühungen um die Reinigung der Seele gekennzeichnet, die der stoischen Selbst-Suche in der Freilegung des daimon ähneln. Plotin empfiehlt, sich zunächst buchstäblich von allen überflüssigen äußerlichen Dingen zu trennen und danach auch von den Gedanken und Vorstellungen, 31 Z.B. Epict Diss III 1,26 32 Marc Aurel IV 13 33 Zum Begriff des stoischen „Dämon“ (der das sokratische daimonion aufnimmt, vgl. Tim 90a; leg 732c, 877a) als des eigentlichen Selbst vgl. G. MISCH, Geschichte der Autobiographie I. Leipzig 1907, 35 und E. ROHDE, Psyche. Tübingen, 1925, 316ff. 34 Vgl. Marc Aurel III 6; s.a. II 13 und III 7 zum Leib als „Kerker der Seele“. 35 Porphyrios, Schüler Plotins, hat dazu extra ein Werk zur Selbsterkenntnis und besonders zu dem delphischen Gebot verfaßt (nepi toß yvrnOi aatnóv), das ursprünglich vier Bücher umfaßte, aber nur in Teilen bei Joh. Stobäus erhalten ist (Anth III 21,26; III 22,27).