Folia Theologica 15. (2004)

Christian Göbel: Philosophie des Mönchseins

PHILOSOPHIE DES MONCHSEINS 13 und Selbstsorge sein, und sie findet Anwendung und Ausdruck in konkreten Übungen, die sie ihren Schülern an die Hand gibt. Der Blick zurück aus der christlichen asketischen Tradition mag dazu beitragen, auch die vorchristliche antike Philosophie in ihren le­benspraktisch-asketischen, ja ,monastischen' Momenten zu erhel­len. „Asketisch" (von askesis, was ursprünglich nur „Übung" heißt) meint hier in erster Linie in einem weiteren Sinn, daß ein Text gege­ben wird, um die Lebensführung des Lesers zu beeinflussen, es be­zieht sich auf die inneren Tätigkeiten des Denkens und des Wol- lens. Erst in einem sekundären Sinn finden wir einzelne Übungen, die unserem Gebrauch des Wortes entsprechen; denn der Weg zur Sorge um Wohl und Freiheit der Seele beginnt sowohl in der Philo­sophie, als auch im monastischen Weg des Evagrius mit der Beherr­schung der Leiblichkeit des Menschen und ihrer Begierden. Wichti­ger aber werden jene Übungen, die den Menschen lehren, seiner vernunftbegabten Seele gewahr zu werden und sie zur Bewälti­gung des Lebens anzuwenden. Hadot nennt diese Übungen „exer­cices spirituels". Theoretische Grundlage dieser Art von Philosophie ist die duali­stische Anthropologie und Seelenlehre Platons, die z.B. im Phaidros, Phaidon, Timaios und in der Politeia entwickelt wird. Hier mag ein Blick auf den kleinen Dialog Alkibiades (Maior) genügen, der zwar in der neueren Forschung häufig nicht mehr als echt platonisch ange­sehen wird, aber über Jahrhunderte hinweg als Inbegriff der und geeigneter Zugang zur platonischen Philosophie galt und deshalb schon in der Akademie den Lesekanon eröffnete22. Dort bedeutet die delphische Mahnung „Erkenne dich selbst", der Mensch solle seine Seele erkennen, und darin den Teil, in dem das Wissen und die vernünftige Einsicht ihren Sitz haben. Durch diesen Teil sei der Mensch mit Gott verwandt, und, dies erkennend, erkenne er am besten auch sich selbst (129b-133c). Nachdem die Seele als das Beste im Menschen erkannt ist, soll sie nun aber auch „auf das Beste gedeihen"23. Deshalb mahnt So­22 Vgl. Albinus Isag 4-5. Außerdem hat J. Annas gezeigt, daß die Gründe, die seit Schleiermacher gegen die Authentizität des Alkibiades angeführt werden, eher dürftig sind, s. „Self-knowledge in early Plato“. In: D.J. O’MEARA (Ed.), Platonic investigations. Washington, 1985, 111-138.

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