Folia Theologica 15. (2004)
Helmuth Pree: Das Gewissen vor dem Forum des Kirchenrechts
DAS GEWISSEN VOR DEM FORUM DES KIRCHENRECHTS 105 bewertung für die Beurteilung des weiteren verantwortbaren sittlichen Verhaltens zusammen. In diesem Zusammenhang stellt sich häufig die Frage (z.B. im Hinblick auf die Möglichkeit des Sakra- mentenempfanges): Kann man in gewissen Fällen eine Ehe auf Grund eigener Beurteilung (ggf. zusammen mit einem Seelsorger) gleichsam auf moralischer Ebene bzw. in foro interno als ungültig ansehen und behandeln, obwohl kein Nichtigkeitsprozess stattgefunden hat? Hier ist grundlegend zu unterscheiden: Einerseits die Ebene des Rechts: Sie gibt Auskunft über den Zuständigkeitsbereich rechtlich bevollmächtigter kirchlicher Organe sowohl für das forum externum wie auch für das forum internum - und andererseits die Ebene der sittlich zu verantwortenden Gewissensentscheidung für das eigene Handeln eines Menschen in einer konkreten Situation. Nur für letzteres ist das Gewissen höchste Instanz (auch wenn es sich gemessen an Maßstäben kirchlicher Lehre als irrig erweisen sollte).17 Die Regel des c. 130 betrifft einzig und allein die Ebene des rechtlich bevollmächtigten Handelns kirchlicher Leitungsvollmacht (z.B. Auflösung einer Ehe durch päpstliches Reskript, Nichtigerklärung einer Ehe durch den kirchlichen Richter usf.). Das subjektive Gewissensurteil des Einzelnen, das in einer bestimmten Frage von der rechtlichen Entscheidung durch die rechtlich zuständige Autorität abweicht, besitzt auf der rechtlichen Ebene (sowohl im forum externum als auch im forum internum) keine Wirksamkeit und vermag daher an der Rechtslage des eigenen Falles nichts zu ändern. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass z.B. der Beichtvater oder eine andere kirchenrechtskundige Person bei der Bildung des Gewissensurteils behilflich war. Nur in wenigen Ausnahmefällen, z.B. in c. 1197 Var. I18 CIC, gewährt das Recht dem Einzelnen die Möglichkeit, durch eigenen Willensakt auf Grund Gewissensurteils eine rechtlich relevante Änderung der Rechtslage herbeizuführen. Davon strikt zu unterscheiden ist die nach moralischen Kriterien erfolgende Bildung eines Gewissensurteils (sittlichen Handlungsurteils) durch die betroffene Person selbst in der konkreten Situation. Das Gewissensurteil kann sich zwar faktisch auch auf die Frage der 17 Zum Problem des irrenden Gewissens: Enzyklika Veritatis Splendor, Nr. 62 f. 18 Der Gelobende selbst kann die durch Privatgelübde versprochene Leistung in ein besseres oder in eine gleichwertiges Gut umwandeln.