Folia Theologica 14. (2003)
Pál Bolberitz: Providenz als Mitleid Gottes
PROVIDENZ ALS MITLEID GOTTES 19 Empathie und das Mitleid sind ja im menschlichen Leben doch nicht notwendigerweise miteinander verbunden. Jede Eigenschaft ist im Gott mit seinem Wesen identisch, und sein Wesen ist mit seinem Sein identisch. Falls also Gott gegenüber der Not des Menschen in der Form der Vollkommenheit Mitleid zeigt, bedeutet dann dieses Mitleid - im Sinne der Vorsehung - auch eine aktive Hilfe? Aber Gottes Vorsehung - die entweder in ausserordentlicher Form (vgl. Wunder), oder in ordentlicher Form ("causae secundae") manifestiert - bedeutet nicht immer die Gabe jener Güter, die der Mensch hier und jezt haben möchte, und seine Vorsehung ist nicht immer in dem Moment vernehmbar, wenn der Mensch es erwartet. „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen."29 Es heisst, dass der allgemeine heilbringende Wille Gottes, sowie dessen Inhalt das Motiv und das Ziel des Zusammenhanges der Providenz und des Mitleides bilden. Deswegen bleibt dieser Zusammenhang für den denkenden Menschen letztlich immer auch ein Geheimnis des Glaubens (ein Mysterium), an den man sich mittels des Glaubens annähern, aber ihn in seiner Fülle erst im ewigen Leben verstehen kann. Das Leiden der Gerechten und der Tod der unschuldigen Kinder sind im Zusammenhang des göttlichen Urteils und der Rechtssprechung schwer zu verstehen. Aber dass Gott das Leiden „der Gerechten" doch nicht teilnahmlos ansieht, und der Unschuldige seine Selbstaufopferung auch zur Gott verklärenden Opfertat gestalten kann, ist es durch das hervorragendste Beispiel, die Passion und der Kreuzestod Christi beweisen. Zusammenfassend der Vollzug des Vorsehungglaubens und Gottes Mitleid geschiet im Gebet, nicht nur in Preis und Dank für die schon erfahrene Güte Gottes, sondern auch in der Bitte um die Erlangung der Verheissung. Das Schriftwort „Mein Vater! Dir ist alles möglich - lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst"30 steckt in seiner scheinbaren Widersprüchlichkeit, die Gottes Sorge anheimgestellt wird, und konkrete, hier und jetzt angenommene radikale Abhängigkeit von Gott im Vertrauen darauf, „dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten ver- hilft, weil sie zum voraus nach seinem Ratschlussberufen sind."31 29 1 Tim 2,4 30 Mk 14,36 31 Rom 8,28