Folia Theologica 12. (2001)

Myriam Wijlens: Profil der Klienten eines Offizialates

PROFIL DER KLIENTEN EINES OFFIZIALATES 83 en gedauert. Sie waren 1927 (Frau) und 1934 (Mann) geboren und hatten 1962 geheiratet. Die zivilrechtliche Scheidung wurde 1966 rechtskräftig. Erst 1998 reichte die Frau einen Antrag auf Feststel­lung der Nichtigkeit ein. Während die jüngsten Parteien geheiratet hatten, ohne eine Ausbildung abgeschlossen zu haben und zur Zeit der Eheschließung auch keine Arbeit hatten, war die älteste Frau zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits promoviert und hatte ein eigenes Unternehmen, der Mann hatte eine Lehre absolviert. Ob­wohl man aus diesen Daten ableiten könnte, dass die Dauer des ehelichen Zusammenlebens nicht unbedingt etwas über das Hei­ratsalter und die Ausbildung bzw. den Beruf aussagt und umge­kehrt, könnte es sich möglicherweise durchaus lohnen, über solche eventuell vorhandenen Korrelationen weitere Untersuchungen durchzuführen. Leider waren die Erhebungsbögen in zu vielen Fäl­len unzureichend in Bezug auf Ausbildung und Beruf der Parteien ausgefüllt, um eine verlässliche Statistik über die sozialen Hinter­gründe der Parteien erstellen zu können.8 Aus dieser und der nachfolgenden Statistik (siehe Nr. 3.7) geht her­vor, wie viel Prozent der Frauen bzw. der Männer sich im Alter zwischen 25 und 35 Jahren befanden, als sie den Antrag zur Feststellung der Nich­tigkeit oder zur Auflösung ihrer Ehe einreichten. Es ist wichtig, zu be­denken, dass diese Personen schon verheiratet waren, sich getrennt ha­ben und in den meisten Fällen bereits zivilrechtlich geschieden sind, wenn sie den Antrag beim Offizialat einreichen! An die Richter und Ehe­bandverteidiger stellt sich die Frage, ob sie die Lebenswelt dieser Perso­nen ausreichend kennen und ob sie sich hinreichend über diese Lebens­welt und die in ihr üblichen Umgangsformen, Gewohnheiten, Kommu­nikationsmerkmale, Erwartungen usw. informieren.9 Zusätzlich ist zu 8 In gewisser Weise ist es bedauerlich, dass aus vielen Anträgen nicht hervor­geht, in welchem sozialen Kontext, verstanden im Sinne von Ausbildung und Beruf, die Parteien lebten, als sie heirateten, denn dieser soziale Status dürfte sicherlich, ebenso wie z.B. Lebensalter, Elternhaus oder Erziehung, zu den Vorstellungen, Hoffnungen und Kenntnissen beigetragen haben, welche die Ehepartner zur Eheschließung motivierten und bei ihrem Entschluss leiteten. 9 In seiner Rota-Ansprache vom 28. Januar 1991 hat Papst Johannes Paul II be­tont, dass Kultur und Geschichte ihren Einfluss auf die Institution Ehe haben. Die Kirche könne sich deswegen der kulturellen Umgebung nicht entziehen. Der Papst erinnerte daran, was er bereits in Familiaris consortium Nr. 4 ge­schrieben hatte: „Da der Plan Gottes für Ehe und Familie Mann und Frau kon­kret betrifft - in ihrer täglichen Existenz, in bestimmten sozialen und kultu­

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