Folia Theologica 12. (2001)

Myriam Wijlens: Profil der Klienten eines Offizialates

PROFIL DER KLIENTEN EINES OFFIZIALATES 67 Ehehindernisses festgestellt werden. Zusätzlich gibt es Verfahren zur Auflösung der Ehe wegen eines Nicht-Vollzuges oder aus Glau­bensgründen. Aus Gesprächen mit Geschiedenen, die im Rahmen z.B. einer kirchenrechtlichen Beratung geführt werden, geht hervor, dass vie­le der beratenen Personen ein Verfahren zur Überprüfung ihrer Eheschließung nicht in erster Linie deswegen beantragen, weil sie schon einen neuen Partner haben und „erneut" heiraten möchten, sondern vielmehr weil sie ihr Gewissen entlasten möchten. Sie möchten für sich Gewissheit darüber erhalten, ob die Ehe, die sie geschlossen haben, aus Sicht der katholischen Kirche eine gültige Eheschließung war. Sie wollen eine Klärung ihres Personenstandes in der Kirche.2 Mit den verschiedenen Verfahren versucht die katholische Kir­che deswegen den Menschen in ihrer Not und Suche aufgrund und im Rahmen ihres eigenen Verständnisses der Ehe zur Seite zu ste­2 Obwohl es aus soziologischer und auch theologischer Sicht interessant sein mag zu wissen, ob Menschen ein Eheverfahren durchfuhren aus Gewissens- griinden oder um erneut die Möglichkeit zu erhalten zu heiraten, aus der Per­spektive des kanonischen Rechtes geht es m.E. insbesondere bei einem Ver­fahren zur Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe nicht so sehr um die Ehe selbst, sondern um die Feststellung des Personenstandes der betroffenen Par­teien. Die Frage, die eigentlich von den Parteien gestellt wird, lautet: Besitze ich in der Kirche die Rechte und Pflichten, wie sie einer verheirateten oder wie sie einer unverheirateten Person eigen sind? Um diese Frage zu beant­worten, ist es notwendig, die geschlossene Ehe auf ihre Gültigkeit hin zu prü­fen. Nur wenn man das Verfahren vor allem auch als einen solchen Versuch versteht, wird klar, warum auch der bisherige Partner ein Recht hat, sich an einem solchen Prozess zu beteiligen. Er kann nämlich davon ausgehen, dass er durch die kirchliche Eheschließung alle Rechte und Pflichten eines Verhei­rateten besitzt. Bei einer eventuellen Feststellung der Ungültigkeit der Ehe­schließung würde sich seine Rechtsstellung implizit ändern. Deswegen sind auch die Rechte des früheren Partners in einem Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Ehe so stark geschützt und es darf von einem „Verteidi­gungsrecht“ gesprochen werden. Gleichzeitig kann jedoch ebenfalls nur im Rahmen dieser Betrachtungsweise erklärt werden, warum ein Verfahren zur Feststellung der Ungültigkeit der Eheschließung auch ohne den früheren Part­ner durchgeführt werden kann: Wenn der frühere Partner explizit oder impli­zit kund tut, kein Interesse zu haben sich am Verfahren zu beteiligen, darf daraus entnommen werden, dass er keinen Wert darauf legt, seinen Personen­stand geklärt zu wissen. In diesem Fall gilt dann das - jedem Menschen zuzu­billigende - Recht des anderen Partners, der seine Rechtsposition geklärt ha­ben möchte, als ausschlaggebend.

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