Folia Theologica 12. (2001)
Imre Koncsik: Der analoge Realismus als Fundament der Christologie Karl Rahners?
140 I. KONCSIK erste und ursprüngliche Wirkung Gottes ist das geschaffene Sein: jedes Seiende soll an erster Stelle „sein". Das Sein ist ideell und dennoch wirksam, ähnlich wie die Lichtstrahlen der Sonne ideell, nicht subsistent und dennoch wirksam sind. Somit wird der Wirkung der transzendentalen Ideen auf und im menschlichen Denken und Sein adäquat Rechnung getragen, also hinsichtlich ihrer Idealität und ihres realen Grundgehaltes. Die Idealität des menschlichen Denkens verwirklicht in und durch sich selbst die Idealität des geschaffenen Seins auf eine analoge Weise. Ja, es ist selbst nichts als die Analogie des Seins, weshalb es sich an das Sein eines jeden Seienden angleichen kann, um dadurch vermittelt in der Universalität und Unendlichkeit des Seins die Wirkung Gottes zu erblicken und darin wiederum an Gott selbst zu partizipieren11. Die Analogie der Erkennt11 Die erste Idee des menschlichen Denkens ist hier die Idee des Seins: das Denken tritt nicht neben das Sein, sondern erfasst sich selbst in tiefer Partizipation zum Sein und als analoge Weise des Seins selbst. Im „ersten Urteil“, quasi in einer Urintuition, wird dem menschlichen Denken das geschaffene Sein (reflektiert oder auch nicht) als Idealität offenbar, die das Nichtsein jedoch völlig ausschließt und daher auf die göttliche Realität des absoluten Seins notwendig hinüberweist: das geschaffene Sein wird real auf Gott hin transzendiert, indem dem menschlichen Denken quasi von alleine die Unverträglichkeit von Sein und Nichtsein aufgeht. Das ideale, geschaffene Sein ist eine Art unversöhnte Einheit von Sein und Nichtsein. Es muss transzendiert werden, weil ein absolutes Nichtsein ein absolutes Sein (=Gott) relational notwendig voraussetzt, um absolut und darin letztlich eben nichts und nicht absolut zu sein. Das menschliche Denken transzendiert seine eigene Nichtigkeit und Potentialität auf das reale Sein hin, weshalb es vom Ursprung her immer schon beim Sein der Seienden anwest. Es ist das Sein, das die universale Potentialität des menschlichen Denkens aktuiert, womit das Denken eine gewisse Sicherheit besitzt: es ist immer schon analog beim Sein der Seienden. Es besitzt weder das Sein ganz für sich noch muss das Denken das Sein erst erreichen und sich seiner vergewissern, sondern ist selbst das „analogisierte“ Sein. - Eine kritische Frage meldet sich bei solchen dialektisch anmutenden Argumentationen: wenn das Nichtsein total relational/relativ ist und ein absolutes Sein verlangt, insofern es ein absolutes Nichtsein „ist“: kann dann überhaupt ein absolutes Nichtsein konzipiert werden? Siewerth scheint zu dialektisch in Form von Thesen und Antithesen zu argumentieren, was so weit geht, dass er sogar das Nichtsein als das „vergessene Transzendentale“ bezeichnet, um auf der fundamentalsten Ebene ontologischer Argumentation (Sein und Nichtsein) dialektische Strukturen einzuzeichnen. Hier scheint er entgegen seiner Option, das Sein analog zu belassen und „sein zu lassen“, in eine denkerische Reduzierung der analogen Einheit des Seins auf Identitäten und Differenzstrukturen zu verfallen.