Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

84 I. KONCSIK 3. Zusammenfassung Wissenschaft ist die systematische Suche nach Wahrheit. Sie liegt vor, wenn die Wirklichkeit analog nach bestimmten Kriterien in ihrer ur­sprünglichen und objektiven Einheit erfaßt wird. Das siewerthsche Sein des Seienden ist mit der analogen Einheit der Identität und Differenz der Wirklichkeit identisch, die jede Wissenschaft in ihrem Kern ermöglicht, indem sie ihr die erforderliche Methodik und die notwendigen Verifika­tionskriterien bereitstellt. Christliche Theologie expliziert die analoge Einheit des Seins durch Jesus Christus als analoge Einheit von Gott und Mensch - und entsprechend dazu als analoge Einheit von Schöpfer und Schöpfung - sowie durch die trinitarische Einigungseinheit als sein Mög­lichkeitsgrund. Mit der faktischen und historischen Wirklichkeit der gott­menschlichen Einheit Jesu Christi wird der rein ideellen Möglichkeit des Seins etwas hinzugefügt, weil die Wirklichkeit (des Seins Jesu) immer mehr ist als seine Möglichkeit. So wird das siewerthsche Sein via theolo­gischer Offenbarung über sich selbst hinausgeführt, indem der konkrete Modus der analogen Einheit des Seins in seiner unendlichen Reichweite manifest wird: Gott gewährt dem Menschen eine analoge Einheit mit Ihm trotz Sünde, Schuld und Tod, die jede auf philosophischem Weg rein ideell ableitbare Einheit weit übersteigt. Damit leistet gerade die Theologie erkenntnistheoretische und tiefen­ontologische Begründungsarbeit, ohne die jede Wissenschaft relativ in­konsistent und nichtig bleiben würde. Weiter hält sie kraft dieser emi­nenten Leistung wissenschaftlichen Grundsatzkriterien stand, weshalb Theologie Wissenschaft im strengen und eigentlichen Sinn ist. Theologie erlangt damit eine entsprechende Bedeutung im interdisziplinären Kanon der Wissenschaften. Sie hilft bei der Einordnung empirisch gewonnener Seins, das jede Wissenschaft zwecks eigener Möglichkeit notwendig voraus­setzt, so, wie es in der analogen Einheit von Schöpfer und Geschöpf offenbar wird. Damit ist Theologie sogar im ursprünglichsten Sinn eine Wissenschaft, die das Sein hinsichtlich seiner Fundierung (systematische Theologie und Exegese) und seiner konkreten Umsetzung in Tat und Handlung (historische und praktische Theologie) in einer unableitbaren bzw. analog ableitbaren Weise erfaßt und beschreibt. Theologie widerspricht nicht, sondern ent­spricht und überhöht/vertieft die Einheit des Seins - womit sie zu allen an­deren Wissenschaften hinsichtlich ihrer Methoden und Verifikationskriterien in analoger Entsprechung steht, weil sie zur Analogie des Seins selbst im ganzen analog ist.

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