Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

70 I. KONCSIK haften, d.h. analogen Erfassung einer beliebigen wirklichen oder möglichen Ein­heit. Ihre Nichtigkeit bzw. Nichterfüllbarkeit durch ein beliebiges limitiertes Sei­ende verweist auf den nicht-nichtigen Schöpfer, was dem Vorrang des ontologi­schen Argumentes von der Wirklichkeit her vor dem logischen Argument von der Einheit her entspricht, daß es eine Wirklichkeitskonformität zwischen Erkennen­dem und Erkanntem gibt. Wie weit reicht die analoge Einheit bzw. Wirklichkeits­konformität zwischen beiden? - Das hängt von der erreichten analogen Einigung ab, also der Analogie, die durch Angleichung zustande kommt92. Ebenso hängt das von der erreichbaren Einigung ab, also vom Ver-mögen des Menschen zur Ver-wirklichung. Die Forderung der siewerthschen Wirklichkeitskonformität ist der Schlüssel zur Identifizierung der analogen Einheit. 1.5. Unvermischte und ungetrennte Einheit der Wissenschaften Jede Wissenschaft begreift dieselbe Wirklichkeit analog, weil jede Erkenntnis einer partiellen und spezifischen seinshaften Einheit auf die Einheit mit dem Sein und darin mit dem Schöpfer hingeordnet ist. Jede Wissenschaft ist zu jeder anderen in diesem allgemeinen Sinn analog, was die Forderung nach interdisziplinärer Zusammenarbeit impliziert. Alle Wissenschaften bilden eine unvermischte und ungetrennte Einheit der Identität und Differenz, die die Konsequenz der analogen Einheit der Wirklichkeit ist: die analoge Einheit der Wissenschaften steht in analo­ger Einheit mit der analogen Einheit der Wirklichkeit. Doch ist die analoge Einheit der Identität und Differenz nicht eine zu univer­sale Kategorie, die wegen ihres hohen Abstraktionsgrades nichtssagend wird? - Sie erlaubt eindeutige Entscheidungen: jede analoge Reduktion der Einheit auf Identität oder Differenz bzw. jede Verabsolutierung von Identitäten oder Diffe­renzen zuungunsten der Analogie der Einheit ist verboten. Wo eine Reduktion im Einzelfall konkret vorliegt, wird gemäß dem ontologischen Primat an der Wirk­lichkeit selbst gemessen. In einer wissenschaftlichen Diskussion bildet die aprio­rische Letztberufungsinstanz immer die Wirklichkeit. Diverse Formulierungen belegen das: „Es ist doch...”93 „...in Wirklichkeit....” etc. Gesetzt den praktischen Fall: differente Subjekte beanspruchen Objektivität ihrer Erkenntnis. Wer entscheidet über ihre Wahrheit? - Immer die Wirklich­keitskonformität, also die Einheit einer These in sich formaler Art, die Einheit mit der behaupteten Wirklichkeit und die Einheit mit der analogen Einheit aller 92 Ders.: Sein und Wahrheit (1975), S. 344-345. 93 Das Wörtchen ,ist‘ bildet nicht nur eine kantianische logische Hilfskonstruk­tion oder sprachliche Konvenienz, sondern ist Folge der intuitiv begriffenen Wirklichkeit.

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