Folia Theologica 11. (2000)
Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth
66 I. KONCSIK den Geschöpfes mit dem Schöpfer: sie dient der Ermächtigung des Geschöpfes zu sich selbst durch Ermächtigung zum Schöpfer und zu anderen Seienden73. Die analoge Realisation vollzieht sich immer durch eine Offenbarung eines Verborgenen, durch Seiend-werdung des Seins74. Das Seiende geht aus sich heraus und gleichursprünglich kehrt es zu sich zurück: es herrscht eine unvermischte und ungetrennte Einheit von processio und reditio in der ontologischen Reflexion75. Durch transzendierende Entäußerung und Offenbarung erfolgt eine imma- nentisierende Verinnerlichung. Anders formuliert: das Seiende durchdringt sich immer neu, indem es die anderen Seienden und den Schöpfer analog durchdringt. Im Grunde durchdringt es sein unendliches Sein analog: das Seiende realisiert sein Sein immer analog76. Die analoge Einheit der Identität und Differenz ist die formale Urka- tegorie aller Wirklichkeit. Sie drückt das siewerthsche Sein in formaler Hinsicht analog aus: das Sein ist die analoge Verweisung des Seienden zum Schöpfer und seine Vermittlung in ihn77 78 als Manifestation seiner Einheit mit ihm . Die Kategorie der Einheit bleibt dem Primat des Seins untergeordnet. Warum? - Jede Differenz, die in der Wirklichkeit ausgesagt wird, ist von der Differenz, die etwa zwischen zwei Begriffen herrscht, different. Die Ontologie ist Maßstab der Logik und nicht umgekehrt79. Wie weit eine Differenz zwischen 73 Ders.: Gott (1971), S. 121; Hinführung (1965), S. 43. 74 Ders.: Gott (1971), S. 121. 75 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 54. 76 Nach SIEWERTH, G.: Willensfreiheit (1954), S. 132 öffnet sich daher der transzendentale unendliche Substanzgrund des Menschen immer nur zu partieller - analoger - Verfügung. Die Sphäre der unendlichen Transzendentali- tät kann nur analog in der Immanenz realisiert werden! 77 Ders.: Thomismus (1961), S. 81; Sein als Gleichnis (1958), S. 44. 78 Ders.: Thomismus (1961), S. 74. 104. 178; Auseinandersetzung (1979), S. 36; Abstraktion (1958), S. 78-79; Schicksal (1959), S. 132; Freiheit (1959), S. 54; Sprache (1963), S. 109; Grundfragen (1963), S. 243, 253-254; Analogie (1965), S. 40, 43. Siewerth konstatiert eine „exemplarische Identität” nur zwischen Gott und dem Sein des Seienden, insofern es in Gott fußt (Schicksal (1959), S. 55. 92). Zwischen den Seienden und Gott kann nur eine analoge Einheit bestehen, die mit dem Sein identisch ist, sofern es in Gott und im Seienden grundgelegt wird. 79 Ders.: Grundfragen (1963), S. 11; Analogie (1965), S. 91, 110-111; Kindheit (1963), S. 37-38; Schicksal (1959), S. 257: „Eine allgemeine Logik ist keine kritische Instanz für die Metaphysik, weil das Sein und seine Möglichkeiten nicht in der ratio gründen und keine Potenz über die Reichweite und Tiefe des Aktes entscheidet. Dies bedeutet, daß von Seiten der Logik keine formale Regel apriori der Metaphysik gegenüber aufgestellt werden kann”.