Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

62 I. KONCSIK Seine Gabe impliziert die Aufgabe der sukzessiven und raumzeitlich-differen- zierten Explikation des Schöpferseins. Die Wissenschaft bedeutet auch das Auf­schwingen des Geistes zu immer neuen schöpferischen Verwirklichungen. Wer oder was wird denn verwirklicht? - Das eigene Sein, sowie das Sein aller Seien­den, zu dem das eigene Sein in konstitutiver Relation steht und damit die Einheit aller Seienden43. Wie vollzieht sich diese Verwirklichung? - Immer analog unter Wahrung und Entfaltung der Einheit der Identität und Differenz des forschenden Geistes zu allen anderen Seienden44. Was geschieht kraft der Verwirklichung? - Die Wirklichkeit wird immer mehr offenbar! Der ursprüngliche Grund der relativen Unabgeschlossenheit jeder Wissenschaft als Ausdruck der relativen Unabgeschlossenheit jedes Sei­enden ist seine Differenz zum Schöpfer4^. Die Einheit der Wirklichkeit ist nicht vereinheitlicht46. Sie kann prinzipiell nicht vereinheitlicht reali­siert werden, da sie sonst mit Gott identisch wäre: nur er besitzt die Un­endlichkeit der Einheit des Seins allen seinen Wirkerstreckungen gemäß aktuell47; in ihm allein ist die ganze Potenz des Seins realisiert. Damit ist Gott das Sein des Seins des Seienden48. Im Sein, das ohne Gott gedacht wird, steckt ein substantieller Widerspruch49: einerseits wird jedes Seiende vom Sein bestimmt, wodurch dem Sein die eigent­liche Wirklichkeit zugeschrieben wird; andererseits ist das Sein potentiell und nicht-subsistent, weil nicht aktuell realisiert50. Beides gilt in der gleichen Hin­sicht. Um nicht in dialektischen Konzeptionen idealistischer Provenienz, die den Widerspruch bzw. das Paradox zum widersprüchlichen und sich selbst aufheben­43 Ders.: Gott (1971), S. 133. 44 Ders.: Grundfragen (1963), S. 253-254. 45 Ebd.: „Diese subsistente reine Sein (sc. Gott) lichtet gänzlich am negierten Rande seiner endlichen Darstellung, so daß alles, was gesichtet wird, nur eine Verweisung ist auf eine Tiefe, die selber nicht faßbar ist. Dergestalt ent­hüllt sich alles... als ein verweisenden Gleichnis in einen Grund, der auf un­durchdringliche Weise anwest und sich entbergend verbirgt.” Vgl. Thomis­mus1 (1961), S. XIX. 46 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 54: „Also liegt die Nichtsubsistenz des reinen Seinsaktes darin begründet, daß er nicht mit sich selbst zur Einheit Zusammengehen kann; er vermag sich nicht wie ein in sich geschlossener Kreislauf zu sich zurückzukehren; er schwingt nicht unmittelbar in sich sel­ber, weil er seine Seinsfülle nicht denkend und liebend zu eigen hat und er­fährt....”. Vgl. Sein als Gleichnis (1958), S. 55. 59. 47 Ders.: Analogie (1965), S. 82-83. 48 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 43. 49 Ders.: Thomismus (1961), S. XXVI. 50 Ebd., S. XXVI.

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