Folia Theologica 11. (2000)

Imre Koncsik: Ist Theologie überhaupt eine Wissenschaft? - Ein Dialog mit Gustav Siewerth

IST THEOLOGIE ÜBERHAUPT EINE WISSENSCHAFT? 59 Der Mensch entwirft sich Möglichkeiten als Nichtsein des Seins22. Der Mensch begreift intern die aktive und passive Potenz des Seins als Nichtsein sowohl in seiner zuweisenden als auch abweisenden Macht und Mächtigkeit23. Er weiß demnach, daß ein Einhorn nicht real existent ist, obwohl es „theoretisch” - also als Ergebnis der Betrachtung (theorein) des Seins - möglich ist. Das verifiziert er durch externe Erfahrung der ihn umgebenden Welt, die diese Möglichkeit ab­weist. Ebenso weiß der Mensch, daß zur Farbe die Ausdehnung gehört - das ist ein Beispiel für die zuweisende Macht des Seins. Doch: was ,ist‘ das Nichtsein? - Wenn es nichts gibt außer dem Sein und wenn es dennoch Unwissenheit, Bewegung, neues Wissen und Wahrheit, sowie die prinzipielle Unmöglichkeit eines geschöpflichen Allwissens, aber auch Wi­derspruch und Falsches geben kann, dann muß das das Ergebnis einer Differenz im Sein selbst sein24. Die einzige Differenz zum Sein ist das Nichtsein. Es ist kei­ne dialektische Antithese zum Sein, sondern gehört ganz in das Sein25: es ist rei­nes Hinsein auf das Sein, d.h. nur aus der Relation zum Sein begreifbar und nicht umgekehrt26. Nun gilt: jedes Seiende existiert, insofern es seiend ist, aus seiner Relation zum Sein. Immer ist es das Sein eines Seienden, das sich trotz raumzeitlicher Dif­ferenzierungen einheitlich und beständig durchhält27. Besonders gilt das vom Menschen: so ist der menschliche Geist reines Hinsein auf das Sein. Er steht in Einheit der Identität und Differenz zum eigenen Sein, kraft derer er existiert28. Das Sein eines Menschen steht in Einheit mit dem Sein aller Seienden, kraft de­rer er das Sein eines beliebigen Seienden begreifen kann. Doch steht der Mensch auch in Differenz zum eigenen Sein, zum Sein aller Seienden und zum Sein eines konkreten Seienden sowie zum konkreten Seienden selbst. Die Differenz ist auf die Positivität der Einheit des Seins immer zurückbezogen29. Folge: er kann ein 22 Ders.: Thomismus (1961), S. 38. 140. 23 Ders.: Auseinandersetzung (1979), S. 328; Analogie (1965), S. 41. 24 Ders.: Gott (1971), S. 113; Sein als Gleichnis (1958), S. 28; Thomismus (1961), S. 105. 25 Ders.: Analogie (1965), S. 67. 26 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 56-57; Analogie (1965), S. 47. 93. 27 Ders.: Sein als Gleichnis (1958), S. 29-30. 28 Ders.: Thomismus (1961), S. 105; Gott (1971), S. 114: „Auf ähnliche Weise scheint der Mensch in seinem Handeln immer im Einigen und Ganzen seiner selbst zu stehen. Sofern sein Handeln für ihn und um willen seiner selbst ge­schieht, ist er offenbar der mit sich selbst identische Ausgang und Zielgrund seines Handelns. Er könnte aber nicht zu sich selber kommen, geschähe dies nicht durch eine Tätigkeit, in der er sich von sich selbst unterschiede und ir­gendwie aus sich herausträte. Noch entschiedener ist dies Verhältnis in der Theologie ausgesagt worden, sofern Gott als vollendete Seins- und Wesen­seinheit nur im Hervorgang der subsistenten göttlichen Personen und durch sie west und ist.”. Vgl. Gott (1971), S. 117.

Next

/
Oldalképek
Tartalom