Folia Theologica 11. (2000)

Peter Henrici: Die Enzyklika zum dritten Jahrtausend. Fides et ratio

10 P. HENRICI trix für eine Schöpfungstheologie. Neben der „via antiqua” begann sich eine „via moderna” zu etablieren und sie gewann an den Universitäten bald die Oberhand. Wir betrachten diese „via moderna” vor allem als eine Schule der Logik und bezeichnen sie deshalb als „Nominalismus”. Ihr eigentliches Anliegen und ihr wahrer Ansatzpunkt war jedoch die christliche Lehre von der Weltschöpfung. Der schöpfungsphilosophisch umgestaltete Aristotelismus war diesen Denkern nicht christlich genug. Darum entwickelten sie eine philosophische Lehre vom personalen, frei­en, liebenden, allmächtigen Schöpfergott, der aus freiestem Willensent­schluss alle einzelnen endlichen Seienden erschafft und ihr jeweiliges Wesen frei definiert, jedes einzelne Seiende besitzt keine andere Ge­meinsamkeit mit allen anderen Seienden als diesen unergründlichen, schöpferischen Liebensentschluss Gottes. So entstand - aus übertriebe­ner Frömmigkeit - eine Philosophie, die geradewegs zum Fideismus füh­ren musste - und damit zum „Drama der Trennung zwischen Glaube und Vernunft” wie der Papst schreibt: „Vom späten Mittelalter an verwandel­te sich die legitime Unterscheidung zwischen den beiden Wissensformen in eine unselige Trennung” (nr. 45). Das päpstliche Rundschreiben, das keine Lektionen in Philosophiege­schichte zu erteilen hat, lässt es bei dieser Feststellung bewenden, und verschweigt den eigentlich tragischen Aspekt dieses Geschehens: dass nämlich die neue Philosophie, die zur „unseligen Trennung” zwischen Vernunft und Glaube geführt hat, ihrer Herkunft und ihrer Absicht nach eine ausgesprochen christliche Philosophie war, ja vielleicht die erste ausgesprochen christliche Philosohie, die ausdrücklich auf Prämissen des christlichen Glaubens aufruhte. III. Damit kommen wir zum dritten und zentralen Akt unseres Dramas, den die Dramentheorie als Wendepunkt, als „Peripetie” bezeichnet: zum Ver­hältnis von Glauben und Vernunft in der Neuzeit. Auch in der Neuzeit bleibt dieses Verhältnis durchaus kulturbestimmend; es kann keineswegs als nebensächlich abgetan werden. Fides et Ratio hebt bezüglich dieses Ver­hältnisses drei Aspekte hervor. Allem voran die schon erwähnte Trennung zwischen Vernunft und Glauben (während die früheren Jahrhunderte nach deren Einheit gesucht hatten) und im Gefolge davon, zweitens das Aufkom­men von Philosophien und Weltanschauungen, die dem Christentum kritisch oder feindlich und schliesslich ganz einfach indifferent gegenüberstanden.

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