Folia Theologica 9. (1998)
Karl-Josef Rauber: Mit der Kirche in die Zukunft unter der Führung des heiligen Geistes
6 K.-J. RÄUBER ihr Wachstum durch die Sakramente bewirkt. Ganz augenfällig ist sein Mitwirken in Taufe und Firmung, im Weihe- und Ehesakrament, bei der Verwandlung der Gaben in der Hl. Eucharistie und bei der Vergebung der Sünden im Busssakrament. “Veni Creator Spiritus” und “Veni Sancte Spiritus” sind ja nicht nur fromme Anmutungen, sondern echte Gebetsrufe der ganzen Kirche, die einen festen Platz in der Liturgie einnehmen und die konstituierende, heiligende und heilende Kraft des göttlichen Geistes für Personen, und Gegenstände herabrufen. Von einem Theologen unserer Zeit stammt das Wort: “Wir erwarten und erbeten das Wirken des göttlichen Geistes nicht nur weil wir ihn brauchen, sondern auch deswegen, weil er uns Menschen nötig hat”. Der göttliche Geist ist der absolut Unabhängige, der Unermeßliche, er kann tun und wirken, wie und was er will. Hat er sich aber einmal Gesetze gegeben, dann hält er sich auch an diese Gesetze. Der heilige Augustinus deutet das an, wenn er sagt: “Gott hat dich erschaffen ohne dich, er will dich aber nicht erlösen ohne dich”. Wenn der Heilige Geist der Welt das Antlitz Christi aufdrücken will, dann tut er das nicht allein, sondern er benutzt Werkzeuge, uns Menschen. Ja, er hat sich von uns abhängig gemacht, von unserem Mitwirken. Von daher müssen wir die Geschichte der Kirche und die Ereignisse in der Kirche verstehen. Heil geschieht nur dann, wenn wir uns ganz unter die Führung des göttlichen Geistes stellen; Unheil aber immer, wenn wir uns auf uns selbst verlassen und uns seiner Leitung entziehen. Dies ist immer der Fall, wenn unsere Handeln nicht von der Liebe geprägt ist — denn der Heilige Geist ist Liebe — sondern von Herrschsucht, Macht, Intrige, Berechnung, Mißgunst und Verachtung. In diesem Zusammenhang gewinnen die Worte Jesu Christi noch eine viel tiefere und weitaus richtungsweisendere Bedeutung, wenn er sagt: “Liebet einander, wie ich euch geliebt habe”. “Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt”. Die Liebe findet ihren Ausdruck im demütigen, vorbehaltlosen Dienen. Deshalb sagt der Herr: “...der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen”. “Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Meister und Herr, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe”. “Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein”. “Ihr aber sollt euch