Folia Theologica 9. (1998)
Karl-Josef Rauber: Mit der Kirche in die Zukunft unter der Führung des heiligen Geistes
14 K.-J. RÄUBER nung” auf das Volk Gottes ausgesagt. Damit vollzieht das Konzil den Schritt zu einem relationalen Kirchenverständnis: Das Volk Gottes existiert nur in und aus den vielfältigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Ausdrucksweisen des innergeschichtlich vorweggenommenen Reiches Gottes. Den aus der Tradition übernommenen drei institutionellen Merkmalen der Kirchengliedschaft — vinculum symbolicum, vinculum liturgicum, vinculum hierarchicum — wird ausdrücklich ein spirituelles Kriterium vorangestellt, das den werkzeuglichen Charakter der drei vincula für die Einheit der Kirche herausstellt: nämlich das Erfülltsein vom Hl. Geist. Die entscheidende Bedeutung dieser Bedingung wird ausdrücklich betont, wenn im Anschluß an Augustinus dazu gesagt wird: “Nicht gerettet wiFd aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoß der Kirche zwar dem Leib, aber nicht dem Herzen nach verbleibt” (LG N. 14). Eine rein äusserlich-organisatorische Zugehörigkeit zur Kirche ohne jede existentielle Anteilhabe am Hl. Geist und der von ihm gewirkten Communio hat demnach keine Heilsrilevanz. Mit anderen Worten, das Konzil betont vor allem den Heiligen Geist als einheitsschaffendes Prinzip in der Kirche, eben die Auferbauung des Leibes Christi in der Liebe, wie es der hl. Paulus in dem schon zitierten Brief an die Epheser ausdrückt. Nach der Lehre des Konzils darf die vom Geist gewirkte Einheit der Kirche nicht mehr uniformistisch-zentralistisch verstanden werden, sondern als vielfältig differenzierte Gemeinschaft von Teilkirchen. Deshalb kann der Dienst des Petrusamtes an dieser Einheit eben auch nicht mehr darin bestehen, gleichsam von oben her eine Einheit dekretorisch durchzusetzen, sondern als maßgebliches “Centrum unitatis” inmitten der Communio der verschiedenen Ortskirchen auf brüderliche Weise zu helfen, daß jede einzelne Ortskirche ihre eigene Identität in der Gemeinschaft mit allen übrigen Ortskirchen finden und bewahren kann. Das Prinzipium unitatis des Petrusamtes ist nicht so zu verstehen, daß der Papst die Einheit der Kirche schafft, sondern innerhalb der Kirche darüber wacht, daß die Ortskirchen in Glaube und Liebe bleiben dank des Dienstes ihres Bischofs, so daß sie sich ineinander als Kirche Christi erkennen. Gerade so wird auch die legitime Vielfalt der verschiedenen ortskirchlichen Traditionen gewahrt und gefördert. Dieses innerkatholische Modell von Einheit und Einheitsdienst könnte analog auch für die Einheit mit den Kirchen der Orthodoxie und der Reformation gelten, zumal Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika