Folia Theologica 8. (1997)
Péter Erdő: Das oberste Patronatsrecht der ungarischen Könige in der Forschung von Vilmos Fraknói
158 P. ERDŐ Prälat Béla Turi, Abgeordneter des ungarischen Parlaments, beschrieben. Seiner Meinung nach ist das oberste Patronatsrecht „ein besonderes, von der Kirche erhaltenes Recht der ungarischen Könige, das sich von dem obersten Aufsichtsrecht (inspectio) unterscheidet. Aufgrund dieses Rechts besitzt der König bei den kirchlichen Ernennungen und bei anderen, mit der weltlichen Sphäre verbundenen Angelegenheiten der Kirche (in temporalibus) solche von Privilegien stammende kirchliche Jurisdiktionsbefugnisse, die anderen Königen nicht eigen sind, es sei denn, daß sie ähnliche Rechte, oder einige von diesen Vorrechten von der Kirche erhalten haben... Das oberste Patronatsrecht hat also nicht nur einen ganz anderen Ursprung als das oberste Aufsichtsrecht der Staatsoberhäupter, sondern auch eine ganz andere Natur. Das Aufsichtsrecht ist nämlich eher eine Befugnis der Staatsgewalt in der Hand dessen, der die Exekutivgewalt besitzt, während das oberste Patronatsrecht, dem Begriff des Patronats entsprechend, zum Schutz der Kirche dient und eine Art von Kirchengewalt darstellt”2. Heftige Diskussionen unter Politikern und Juristen zeigen, daß dieses Thema eine der schwierigsten Fragen der Kirchenpolitik war. Wie auch von den oben zitierten zwei Standpunkten hervorgeht, war die Beurteilung des Rechtes selbst in der reichlichen Diskussionsliteratur mit dem Problem des Ursprungs eng verbunden. Dieses Problem aber mußte von der Geschichtswissenschaft (der geschichtlichen Forschung) geklärt werden. Die Hauptfrage hat sich dadurch gestellt, daß die entsprechende Stelle des Tripartitum von István Verbőczy3 eine am Konstanzer Konzil darüber erlassene Bulle ausdrücklich erwähnt hat. „Quarto, quia ista libertas regni, quantum ad beneficiorum collationes, olim tempore domini Sigismundi imperatoris, et regis nostri, una cum complurimis libertatibus huius regni, in generali, ac celebri concilio Constantiensi (cui triginta, et duos cardinales, demptis aliis viris ecclesiaticis, et multis principibus Christianis praefuisse constat) corroborata, jurisque jurandi religione firmata fuit: prout in Bulla superinde confecta, clare continetur." Der Text dieser „Bulle” stand aber nicht zur Verfügung. Er war völlig unbekannt. Die Frage begann immer heikler zu werden. 2 T(URI), B., Főkegyúri jog, in Katolikus Lexikon, ed. BANGHA, B., II, Budapest 1931, 138. 3 Pars 1, Tit. 11, Art. V.