Folia Theologica 7. (1996)

Stanislav Zvolenský: Der "dolus" nach dem kanonischen Eherecht

84 S. ZVOLENSKŸ „Dolus” im Römischen Recht ist ein weitgefaßter Begriff. Er umfaßt zunächst ganz allgemein den Bereich all jener Handlungen, die der bona fides zuwiderlaufen. In diesem Sinne bezeichnet „dolus” die verbotene Absicht, jemandem zu schaden, ein Gesetz zu hintergehen, sich einen unerlaubten Vorteil zu verschaffen. Das alles beinhaltet; der Handelnde ist sich bewußt, das Recht eines anderen zu verletzen, gegen die bona fides zu verstoßen. In den Quellen finden wir dafür Ausdrücke wie sciens dolo malo? einfach nur dolo malo? oder ähnliches. Abgesehen davon, daß dolus in verschiedenen anderen Begriffen wie etwa metus, vis, simulatio, solertia, u. a. enthalten ist, entstand die klas­sische Dolusdefiniton von Labeo: Itaque ipse sic definivit dolum malum esse omnem calliditatem falla­ciam machinationem ad circumveniendum fallendum decipiendum alte­rum adhibitam6. In der Definition werden die Mittel, die den dolus erzeugen, genannt: Calliditas, die im Verschweigen oder Dissimulieren besteht, in einem Unterlassen also, fallacia, die vor allem die Lüge meint oder zumindest das Vortäuschen, einen guten Rat geben zu wollen, während in Wirklich­keit damit vom andern_etwas erschlichen wird und schlußendlich machi­natio, die in Fakten wie auch in einer Umgarnung durch Redelist besteht7. In den Spezies calliditatem ad circumveniendum hat der Täuschende zwar nicht durch ein bestimmtes Tun den Irrtum oder auch das Nichtwis­sen beim anderen erzeugt, weiß aber dessen Situation zum Schaden des Opfers hinterlistig auszunützen. Bei den zweiten Spezies fallaciam ad fallendum wurde der Irrtum auf seiten des anderen gezielt provoziert. Bei den letzten und ärgsten Spezies 3 4 5 6 7 3 Paulus, D.23,2,44: ...ne quis eorum sponsam uxoremve sciens dolo malo habeto libertinam...fecerit.” 4 Ulpianus, D.27,6,7: „Praetor ait; ’in eum qui, cum tutor non esset, dolo malo auc­tor factus esse dicetur, iudicium dabo, ut quanti ea res erit, tantam pecuniam con­demnetur’. Non semper tutor convenitur nec sufficit, si sciens auctor fuit, verum ita demum, si dolo malo auctor fuerit.” 5 Vgl. STE1DL H., Die Theorie vom dolus in spiritualibus, Rom 1987, 60. 6 Ulpianus, D.4,3,1,2. 7 Vgl. STEIDL H., Die Theorie..., 61.

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