Folia Theologica 6. (1995)
Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht
DIE FÄHIGKEIT ZUM EHEKONSENS 15 sen30 31 ist zwar Voraussetzung für die Gültigkeit der Ehe, es ist das, worauf die „discretio iudicii” aufzubauen hat; diese stellt aber gegenüber dem Mindestwissen nicht nur ein Plus, sondern auch ein Aliud dar: Das Mindestwissen im Sinne von c. 1096 fordert eine theoretische Kenntnis der an der genannten Gesetzesstelle erwähnten Grundelemente der Ehe, daß sie nämlich eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft geschlechtsverschiedener Personen mit einer auf geschlechtlichem Zusammenwirken beruhenden Hinordnung auf Nachkommenschaft sei. Wer sich diesbezüglich in Unkenntnis befindet, ist konsensunfähig. C. 1095, 2 verlangt aber nicht nur ein Wissen um diese Grundelemente, sondern auch die Fähigkeit zu einer Wertung, zu einem wertenden Sich-zu-eigen-Machen der der Ehe wesentlichen Rechte und Pflichten, die ihrerseits wiederum erst die Voraussetzung für einen entsprechenden Willensakt darstellt. Man könnte vereinfachend sagen: Wer die Voraussetzungen des c. 1096 erfüllt, der weiß zwar, aber wertet nicht. Wer hingegen im Sinne von c. 1095, 2 konsensfähig sein soll, der muß nicht nur das in c. 1096 Geforderte und darüberhinaus auch um das der Ehe eigentümliche Rechte- Pflichtenverhältnis wissen, sondern muß imstande sein, beides für sich persönlich, für seine konkret abzuschließende Ehe zu beurteilen und als dauernden Wert anzunehmen3'. Es stellt sich die Frage, was konkret unter den „wesentlichen ehelichen Rechten und Pflichten” des c. 1095, 2 zu verstehen ist. Die cc. 1055 und 1056 liefern diesbezügliche Anhaltspunkte: Demzufolge wäre vor allem auf das „totius vitae consortium” (c. 1055 § 1) hinzuweisen, das insbesondere in den Wesenseigenschaften der Einheit (Einpaarigkeit) der Ehe und in deren Unauflöslichkeit (c. 1056), in der Pflicht zur Treue, sowie in der grundsätzlichen Hinordnung auf Nachkommenschaft zum 30 Diesbezüglich fordert Bonnet, daß sich das Wissen auf die Tatsache erstrecken müsse, daß Ehe ein wechselseitiges Sich-Übergeben und Sich-An- nehmen in geschlechtsbestimmter und geschlechtsbezogener Partnerschaft zum Inhalt habe. P. A. BONNET, L'errore di diritto giuridicamente rilevante nel consenso matrimoniale canonico, in: La nuova legislazione matrimoniale canonica. Studi giuridici X, Città del Vaticano 1986, 54. 31 Dazu SRR 19.2.1974 coram Pompedda: „Reapse in iis quae spectant agibi- lia, alia cognosci debet cognitio mere theoretica, alia cognitio simul aesti- mativa: ista tantum mensura esse potest actuum humanorum responsibili- tas. Per ea homo nedum scit quid agendum sit aut mere abstracte quinam valor rei cuiuslibet, sed hanc scientiam vere sibi appropriât, ita ut actuum bonitatem personaliter et concrete percipere ac ponderare queat". DecSRR 76 (1974), 106.