Folia Theologica 6. (1995)
Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu
132 GY. TAKÁCS Zugleich aber muß man darauf hinweisen, daß diese zweite Gruppe neben der Anwendung der modernen literaturkritischen Methoden in gewissem Sinn einen Standpunkt gegen die Ansätze der modernen Konzeption über die ästhetischen Werke einnimmt, weil diese literaturkritische Position behauptet, daß ein literarisches Werk als ästhetisches autonom ist — losgelöst von soziologischen und psychologischen Phänomenen und von jedem unabhängigen und artikulierten Gedankensystem — “eine absolut in sich abgeschlossene und gesonderte Reihe von gegenseitig aufeinander bezogenen Referenzen” (references)80. Dieser Position gegenüber vertritt Dan Otto Via den Ansatz, daß aller Literatur — und sei es auch noch so implizit und indirekt — eine gedankliche Dimension, ein Weltbild oder ein Existenzverständnis inhärent ist81. Was Dan Otto Via über sein Bemühen sagt, gilt gleicherweise für seine Kollegen: es ist ein Zweifrontenkrieg. “Unser Bemühen impliziert einen Zweifrontenkrieg. a) Gegenüber den Haupttendenzen der ntl. Forschung muß nachgewiesen werden, daß ein Gleichnis als ein ästhetisches Objekt nicht als Illustration einer Idee oder Einkleidung einer ’’Pointe” behandelt werden darf. b) Gegenüber bestimmten herrschenden Tendenzen in der Literaturkritik muß nachgewiesen werden, daß die Gleichnisse trotz ihrer existential-theologischen Dimension nichtsdestoweniger wirkliche ästhetische Objekte sind”82. Und so könnten wir die erste Gruppe der erwähnten Autoren als eine her- meneutisch-existential-theologische Richtung bezeichnen, bei der die drei Faktoren: hermeneutisch, existential und theologisch Zusammenhängen und einander ergänzen. Die zweite Gruppe wird als eine ästhetisch- existential-theologische Richtung bestimmt, bei der der ästhetische Faktor mit dem existentialen bzw. mit dem theologischen versöhnt wird. 80 D. O. VIA, Die Gleichnisse Jesu. Ihre literarische und existentiale Dimension, München, 1970 S. 72. 81 Ebenda. 82 Ebenda.