Folia Theologica 6. (1995)
Gyula Takács: Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu
DIE EXISTENTIALE INTERPRETATION 129 2.) Die existentiale Interpretation der Gleichnisse Jesu Die Gleichnisauslegung beschäftigt sich von Adolf Jülicher bis zu Joachim Jeremias, wie wir sahen, in erster Linie mit dem Verstehen der Gleichnisse Jesu in ihrem historischen Rahmen. Dieser Richtung kann man die Auslegungsrichtung, die mit dem hermeneutischen Ansatz von Ernst Fuchs beginnt, gegenüberstellen. Die historisch-kritische Tendenz erforscht den historischen Sitz der Gleichnisse, will die ursprüngliche Situation wiedergewinnen, in die hinein die Gleichnisse gesprochen waren, weil für sie als Grundprinzip gilt, daß das Gleichnis ein Teil eines Ganzen ist, und deshalb nur in diesem Ganzen — was nach ihrer Meinung die historische Entstehungssituation ist — lebt. Auch die hermeneutische Konzeption der Gleichnisauslegung betrachtet die Situation, in der das Gleichnis als an seinem Ort sprechen kann, als wichtig und notwendig. Doch die hermeneutische Richtung der Exegese schränkt ein, daß die ursprüngliche Entstehungssituation nur eine von vielen Situationen ist, in denen das Gleichnis zur Sprache kommt. Die eigentliche Situation der Gleichnisse ist die menschliche Existenz, und zwar in ihrer geschichtlichen Dimension. a) Die Zusammenhänge zwischen den Autoren Die Hauptvertreter der hermeneutisch-existentialen Interpretation der Gleichnisse lassen sich in zwei Gruppen einteilen. “Man kann die teilweise sehr disparaten methodischen Äußerungen, ohne allzusehr zu vereinfachen, zu zwei Hauptgedanken zusammenfassen, die freilich auch kombiniert begegnen: a) die Forderung, die Gleichnisse Jesu existential als Sprachereignisse zu interpretieren, und b) die Forderung, die Gleichnisse Jesu als literarische Kunstwerke mit literaturwissenschaftlichen Methoden zu untersuchen”66. 66 W. G. KÜMMEL, Noch einmal: Das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat. Bemerkung zur neuesten Diskussion um die Auslegung der Gleichnisse Jesu, in: Orientierung an Jesus. Zur Theologie der Synoptiker, Festschrift für J. Schmid, hrsg. von P. HOFFMANN in Zusammenarbeit mit N. BROX und W. PESCH, Freiburg-Basel-Wien, 1973 S. 221. Zur zweiteiligen Gruppierung siehe ebendort S. 221-225.