Folia Theologica 4. (1993)
Winfried Aymans: Gemeinrechte und Gemeinpflichten aller Gläubigen
GEMEINRECHTE UND GEMEINPFILCHTEN 15 Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen auf diese Frage einzugehen.34 Wohl kann allgemein darauf hingewiesen werden, daß in den Beratungen über die LEF einerseits eine gewisse Vorbildhaftigkeit der Staatsverfassungen nicht geleugnet worden ist,35 anderseits jedoch das Bemühen unverkennbar gewesen ist, eine allzu große Nähe zum staatlichen Verfassungsgedanken zu vermeiden.36 Beide Tendenzen haben ihr gutes Recht: Der Blick auf die Staatsverfassungen ist für die Anwendung der Methodik der Rechtserfassung gerechtfertigt, die Distanz davon ist wegen der Wesensverschiedenheit beider Rechte geboten. In methodischer Hinsicht ging es darum, die Einheit der katholischen Kirche über die Verschiedenheit der Rituskirchen hinweg auch in rechtlicher Hinsicht zum Ausdruck zu bringen. Demgemäß waren die für den Aufbau der Kirche wichtigeren Normen zusammenzufassen und in gewisser Weise allem sonstigen Kirchenrecht vorzuordnen. Materiell gehören hierzu vor allem drei Normbereiche: 1. die rechtliche Grundstellung der Gläubigen, 2. die wichtigsten Organe als Träger der hoheitlichen Kirchengewalt und 3. die Grundzüge der kirchlichen Sendung. In diesen Punkten besteht eine gewisse Nähe zu den Staatsverfassungen, die ja auch ihrerseits die Rechtseinheit des Staatswesens auf höchster Ebene zum Ausdruck bringen und materiell vielfach die Grundrechte (Menschen- und Bürgerrechte), die Organe der Staatsgewalt und Staatsziele behandeln.37 Diese formale Nähe darf aber nicht über die Wesensverschiedenheit des kirchlichen und des staatlichen Rechts hinwegtäuschen. Für unsere Fragestellung ist vor allem die Eigenart des ersten materiellen Teilbereiches wichtig, der die rechtliche Grundstellung der Gläubigen betrifft. In diesem 34 Vgl. hierzu W. AYMANS, Kirchliche Grundrechte und Menschenrechte, in: AfkKR 149 (1980) 389-409. 35 Vgl. Communicationes 3 (1971) 183; siehe auch die Berichte ebd. 4 (1972) 129 f; 5 (1973) 199 f. Ferner Relatio zum SchemaLEF/1969: III 7 b (S. 64) und Relatio zum SchemaLEF/1971:1 (S. 120). 36 Das hat sich namentlich in den nicht enden wollenden Anregungen über die zu wählende Bezeichung für das ganze Projekt Ausdruck verschafft, wobei meistens das Wort »Constitutio« Anstoß erregte, gelegentlich aber das Bestreben dahin ging, das Adjektiv »fundamentalis« zu vermeiden; vgl. Communicationes 3 (1971) 183; siehe auch die Berichte ebd. 4 (1972) 129 f.; 5 (1973) 199 f.; schließlich Communicationes 12 (1980) 28. 37 Darauf ist in der Relatio zum SchemaLEF/1971 hingewiesen worden (S. 121).