Folia Theologica 3. (1992)

Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin

62 L. SCHEFFCZYK wird der Leib eigentlich aus der Stellung eines Wesenskonstitutivs des Menschen verdrängt und in die Stellung eines bloßen Ausdrucksmittels des Geistes versetzt. Leiblichkeit ist „ein begrenztes Moment am Vollzug des Geistes selbst”.24 Deshalb kann es auch heißen, daß Materie nur „Moment am Geist, Moment am ewigen Logos” ist;25 sie ist das „Sich-in- Erscheinung-Bringen des personalen Geistes”,26 das Sichtbarwerden der Seele. Hier geschieht eine Angleichung von Geist, Seele und Leib, von Rahner bevorzugt mit der Formel Geist-Materie wiedergegeben, welche die Wesensverschiedenheit kaum noch erkennen läßt. Das drückt sich auch in besonders zugespitzten Aussagen aus, die deutliche Kritik erfahren haben, wie in den folgenden: „Der Leib ist schon Geist”27 im welthaften Selbstvollzug des Menschen, und „Materie ist gefrorener Geist”,28 Aussa­gen, welche sich nicht auf Thomas zurückführen lassen. Diese Zuspitzungen führen dann zu einer Auffassung der Einheit von Geist und Materie oder Leib, die unzertrennlich ist, was sich bei Rahner auch an einem frühzeitigen Abgehen von der thomasischen Auffassung eines leibfreien Seelenzustandes nach dem Tode beweist. Die so auf den Selbst­vollzug in der Materie angewiesene Seele und die so als „begrenzter Geist” verstandene Materie können niemals voneinander getrennt werden. Des­halb entwickelte Rahner schon in frühen Jahren den Gedanken von der sogenannten Allkosmizität der Seele nach dem Tode.29 Diese Theorie besagt, daß die Seele sich im Tode von ihrem individuellen Leib und ihrer begrenzten Materie zwar trenne, aber nur, um in Beziehung zum ganzen materiellen Kosmos zu treten. Die Seele gewinne so einen intensiveren Weltbezug, der freilich nicht identisch sei mit der früheren Information des Körpers. Von Thomaskennern ist diese Auffassung nicht nur als unthomasisch, sondern auch als innerlich widersprüchlich aufgewiesen worden, weil beim Ausfall des Mediums der Leiblichkeit ein noch inten­24 P. OVERHAGE - K. RAHNER, Das Problem der Hominisation (Quaest. disp. 12/13) Freiburg 1961,54. 25 Ebd., 52 f. Vgl. R. LÜLSDORFF, Creatio Specialissima Hominis. Die Wirkweise. Gottes beim Ursprung des einzelnen Menschen (Theologie im Übergang, hrsg. von L. Scheffczyk und A. Ziegenaus, Bd. 10) Frankfurt 1989, 277 ff. 26 Ebd., 52. 27 K. RAHNER, Der Leib in der Hcilsordnung: Schriften zur Theologie XII, Ein­siedeln 1975,422. 28 Ebd .,424. 29 K. RAHNER, Zur Theologie des Todes (Quaest. disp. 2) Freiburg 1958,18.

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