Folia Theologica 2. (1991)

Peter Henrici: Kann es heute eine christliche Kultur geben?

CHRISTLICHE KULTUR 71 in der technischen Nutzung der eingestifteten Kräfte werden die Dinge zu einer einheitlichen, nun auch vom Menschen „gemachten” Wirkwelt ver­bunden. Ohne das menschliche Machenkönnen in Wissenschaft und Tech­nik gäbe es in der nominalistischen Welt nichts, was Gegenstand der Kontemplation werden könnte — abgesehen von der abstrakten Allmacht des Schöpfers. Damit werden, als Kehrseite, auch die möglichen Gefahren dieser Schöp- fungssontologie sichtbar — Gefahren, denen die neuzeitliche Kultur fast durchwegs erlegen ist. Die Natur wird verzweckt; sie ist nicht mehr das in sich Gültige, das Staunenswerte, sondern blosses Mittel für menschliche Zwecke. Die zwischenmenschlichen Beziehungen werden verdinglicht, zwis­chen den Menschen, die als „Einzelne” unverbunden nebeneinanderstehen, vermitteln — verbindend und trennend — immer nur Sachen, Gemachtes”: die Ware (wie Marx im Gefolge von Hegel richtig gesehen hat) oder die Kommunikationsmittel—vom Papier bis zur Elektronik. So wird schliesslich die Person selbst entwürdigt; der Einzelne ist nur noch ein Individuum unter ungezählten andern, Gegenstand menschlichen Machenkönnens: er lebt nach von der Reklame gemachten Bedürfnissen; er hat seine von der Information gemachten Meinungen; ja selbst Anfang und Ende seines Lebens, Geburt und Tod werden ihm entzogen und technisch „gemacht”. Diese Gefahren lagen als Möglichkeiten im Nominalismus; dass sie Wirklichkeit wurden, ist wohl weitgehend der Weiterentwicklung des philosophischen Denkens in der Neu­zeit anzulasten. b) Hier müssen wir zuerst einmal kurz die Galilei-Episode betrachten. Galileis grösster Verdienst ist die Entdeckung der heute noch massgeblichen hypot­hetisch-deduktiven mathematischen (und erst so „experimentellen”) wissen­schaftlichen Methode. Sein Konflikt mit der Kirche ist jedoch in ganz ande­rem Sinne folgenschwer geworden als das eine (jetzt endeutig überholte) antikirchliche Polemik wahr haben wollte. Die Schwäche der Positon Galileis bestand darin, dass er das kopemikanische Weltbild nicht als die einzig mögliche, experimental verifizierte Welterklärung erweisen konnte. Es konn­te, wie Kardial Bellarmin und Kardial Barberini (der nachmalige Urban VIII.) wissenschaftstheoretisch durchaus korrekt feststellten, zu Galileis Zeiten nicht mehr als den Status einer möglichen Hypothese beanspruchen. In diese Beweislücke wollte Descartes einspringen. Nicht indem er den damals unmöglichen experimentellen Ennwis erbrachte, sondern indem er

Next

/
Oldalképek
Tartalom