Folia Theologica 1. (1990)

László Vanyó: Die Christologia des Gregor von Nyssa als Mittelweg zwischen Antiochien und Alexandrien

112 L. VANYÓ aufgeführt.20 Im Bezug auf Mt 26,39 (Lk 22,42) stellte Apollinaris die Frage, ob die hier mitgeteilte Worte dem Logos oder dem menschen Jesu zuzuschreiben seien. Wenn Apollinaris diese Worte einer einzi­gen Natur und Person zuschreibt, nimmt er damit den Zwiespalt des Willens von Vater und Sohn weg, was die Harmonie der Trinität zer­stört. Die einzige Möglichkeit bleibt anzunehmen, dass die zwei Willen im Sohne am Werk waren, der göttliche Wille des Logos, wie der menschliche Wille unserer Natur. Die Schwäche der menschlichen Natur äussert sich in den Worten: "Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber". Der Satz "wie du willst” ist als Of­fenbarung des göttlichen Wiilens anzusehen, der mit dem des Vaters vollkommen übereinstimmt. Die Entscheidung und die Wahl betrach­tet Gregor als Frucht der Natur (vgl. Mt 7,18: "Ein guter Baum kann keine schlechte Früchte bringen, und ein schlechter Baum kann keine gute Früchte bringen"). Die den väterlichen Willen bejahende Worte des göttlichen Logos verkünden den Primat und die Herrschaft des er­habenen und göttlichen Willens dem menschlichen gegenüber, was das Heil des Menschen bedeutet.21 Eben an diesem kritischen Punkt, während der Agonie ist der Wille das Einungprinzip der Naturen. Wenn die Wahl und Entscheidung keine Rolle in der Einigung von Göttli­chen und Menschlichen hätte, verringerte sich die Menschwerdung auf einen mechanischen Naturprozess. Vor Gregor schwebt jenes apollina- rische Christus-Modell, in dem die Anwesenheit der göttlichen Natur ihre Wirkung solcher Weise zur Geltung bringt, dass sie jede menschli­che Einsicht und Willensentscheidung nicht nur überflüssig sondern gerade zunichte macht. Ein bewusstes menschliches Wahrnehmen und Aneignen des göttlichen Wollens ist ausgeschlossen, eine wahre menschliche Annäherung dieses Christus-Modells ist unmöglich, so bleibt es eine physische Tatsache, die dem Menschen nichts sagt. Es kann auf uns ohne unser Wissen und unsere Einwilligung wirken, nur wir können ihn nicht freiwillig annehmen, ihm nicht folgen, ihn nicht nachahmen. "Wenn der Leib von den bösen Neigungen frei ist, ohne dass die Vernunft sich zum Besseren neige, das ist noch nur Ergebnis der Notwendigkeit, aber nicht Leistung der Wahl" - schreibt Gregor.22 20. GNO III,1 S.179. 21. GNO III, 1 S. 181. 22. GNO III, IS. 197.

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