Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)
Sacra theologia
96 LÁSZLÓ GÁJER gereinigt, aber nicht abgeschafft werden. Entmythologisierung ist fast ein blasphemisches Wort“.43 Jaspers zufolge würde die Rolle des Mythos von jeder pragmatischen Rationalität überlagert werden. Denn die mythische Sprache ist in ihrer Geschwätzigkeit und Unvollständigkeit mit der Geschichtlichkeit des Existenziellen verwandt. „Wenn die mythische Sprache geschichtlich ist und daher ihre Wahrheit ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit eines Wissens bleibt, so vermag sie gerade dadurch der Geschichtlichkeit der Existenz mitzuteilen, was für diese einen unbedingten Charakter gewinnen kann“.44 Der Inhalt des Mythos ist nicht allgemein, aber er manifestiert die Unbedingtheit des geschichtlichen Daseins, und der philosophische Glaube hört gerade vor dieser Unbedingtheit auf. Wer die Bibel liest, macht sich ihren Inhalt zu eigen und nimmt an ihm teil. „Er gerät mit den mythisdien Inhalten in Zustände, die er dadurch als Möglichkeiten erfährt, er sieht die Gehalte in den Bildern, die ihm gegeneinander treten, sich in Stufen der Wesentlichkeit ordnen und die alle über sich hinaus weisen ins Bildlose“.45 Jaspers’ Gott ist nichts anderes als die Umgreifende, das sich durch die Geschichtlichkeit der religiösen Erfahrung offenbart, und die Erfahrung der biblischen Religion lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Umgreifende, das sich in Geschichten offenbart46. V. Was kann Jaspers angesichts all dessen MIT DEM RELIGIÖSEN GLAUBEN ANFANGEN? Was Transzendenz ist, erfährt der Mensch nur in der Konfrontation mit einer Welt, deren Realität sich selbst zu verlieren droht. Indem er im Zuge seiner Selbstverwirklichung, oder, wie Jaspers sagte, seiner Selbstschöpfiing, immer wieder an seine eigenen Grenzen stößt, begegnet er der Transzendenz als etwas, das, wenn es erreicht ist, einen vom eigenen Scheitern wegführt. Jaspers unterschied diese Erfahrungen der Transzendenz von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus. Am christlichen Offenbarungsverständnis störte ihn, dass Gott darin nicht konkret zum Einzelnen spricht, sondern im Rahmen einer allgemeinen Lehre. Offenbarung, die als persönliche Selbstoffenbarung Gottes jenseits der Mitteilung einer allgemeinen Lehre verstanden werden kann, blieb für Jaspers fern. 43 Ibid. 19. Vgl. Jaspers, K., Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung, 487. 44 Jaspers, K. - Bultmann, R., Die Frage der Entmythologisierung, 21. 45 Ibid. 23. 4S Vgl. Salamun, K., Karl Jaspers, Arzt, Psychologe, Philosophen politischer Denker, 86.