Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)
Sacra theologia
70 MARKUS ENDERS Wirklichkeitsstufe vollkommener Seelen bezogen haben;4 er erklärt darüber hinaus auch, warum sich wirkungsgeschichtlich gesehen die absolute Unübertrefflichkeit und damit der seins- und geistmetaphysische Gottesbegriff gegenüber der Einfachheit als Bestimmungsgrund (des höchsten) Gottes gemäß henologischer Tradition und damit gegenüber dem einheitsmetaphysischen Gottesbegriff durchgesetzt hat, und zwar bereits vor seiner verständlicherweise begeisterten Rezeption durch das frühe lateinische Christentum. Denn der Plotin-Schüler Porphyrios (um 233 - zwischen 301 und 305 n. Chr.) hat in seinem Kommentar zu Platons Dialog Parmenides das differenzlose Eine mit dem seienden Einen bei Platon und Plotin in die Konzeption eines dann notwendigerweise in sich triadischen Ersten Prinzips zusammengeführt, dessen drei Grundbestimmungen Sein, Leben und Erkennen sind.5 Dieser Verschmelzung der beiden ersten „Hypothesen“ des platonischen Parmenides in ein in sich selbst triadisches Erstes Prinzip liegt die Einsicht in ihre wesenhafte Untrennbarkeit voneinander zugrunde. Die aus der Verbindung von vollkommener Einfachheit des Wesens mit dem Geist-, Seins- und Ganzheitscharakter des Ersten (als Totalität aller möglichen Seinsvollkommenheiten) resultierende philosophische Konzeption einer innergöttlichen Trias6 hat die Trinitätstheologie des Marius Victorinus (zwischen 281 und 291 bis nach 363 n. Chr.)7 und durch dessen Vermittlung die des Augustinus sowie durch dessen Autorität weite Teile der mittelalterlichen Philosophie und Theologie maßgeblich beeinflusst. Denn etwas wesenhaft Einfaches muss, wenn ihm selbstreflexives Geist-Sein als eine (widerspruchsfrei) mögliche Seinsvollkommenheit zu4 Zur dreistufigen Gottesprädikation bei Platon (mit Belegstellen auch für Plotin und Proklos) vgl. Enders, M., Platons Theologie: Der Gott, die Götter und das Gute, in Perspektiven der Philosophie 25 (1999) 131-185; zu Plotins Unterscheidung zwischen dem absoluten Geist als dem zweiten und dem Einen als dem ersten Gott vgl. Plotin, Enneade V 5,3,1-6; zu Proklos* Identifizierung des Einen mit dem höchsten Gott, vgl. Proklos, in Platonis Timaeum commentaria (Proclus, Commentaire sur le Timée, Livre 3. Trad, et notes par Festugiére, A. J.), III. Paris 1967. 207,8. Cousin, V. (ed.), Procli Commentarium in Platonis Parmenidem (Procli Opera inedita), Paris 1864. 617-1258 (repr. Hildesheim 1961; 19 8 02),hier: 641,10-13; 1096,27; Theologia Platonis II 11, in Théologie platonicienne (Texte établi et trad, par Saffrey, H. D. et Westerink, L. G.), II. Paris 1974. 110,6f. 5 Der Parmenides-Kommentar des Porphyrios, in Hadot, P., Porphyre et Victorinus, II. Paris 1968. 64-113. 6 Vgl. Porphyrios, Fragment P 13, in Smith, A. (Hrsg.)., Porphrii philosophi fragmenta, Stuttgart 1993. 196f. 7 Zu diesem Einfluss der Trinitätsphilosophie des Porphyrios auf die Trinitätstheologie des Marius Victorinus vgl. Hadot, P., Porphyre et Victorinus, I. Paris 1968. Vgl. auch Ziegenaus, A., Die trinitarische Ausprägung der göttlichen Seinsfülle nach Marius Victorinus, München 1972; zur Rezeption und Transformation einiger Grundbegriffe der griechischen Philosophie in der „erste (n) metaphysische (n) Theorie eines in sich reflexiven Absoluten im Kontext lateinischer Theologie“ (Beierwaltes, W., Trinitarisches Denken. Substantia und Subsistentia bei Marius Victorinus, in Beierwaltes, W., Platonismus im Christentum [Philosophische Abhandlungen, 73], Frankfurt am Main 1998. 28) bei Marius Victorinus vgl. Beierwaltes, W., Trinitarisches Denken, 25—43.