Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)
Sacra theologia
FOLIA THEOLOGICA ET CANONICA (2022) 55-65 Boris Wandruszka DIE GOTTESFRAGE ALS ZIEL- UND ANGELPUNKT IN DER PHILOSOPHIE VON BÉLA VON BRANDENSTEIN (1901-1989) Einleitung: Was uns unbedingt angeht; I. Zwei Transzendierungen; II. Die Philosophie; III. Der Gottesbezug; IV. Das Absolute im Hiesigen; V. Die Urgründe: Gehalt - Form - Gestaltung UND IHRE VORMETAPHYSISCH-ONTOLOGISCHEN WISSENSCHAFTEN ALS TOTIK - LOGIK -Mathematik; VI. Gott - vormetaphysisch; VII. Gott - metaphysisch; VIII. Mystik Keywords: philosophy, trinitarian ontology, metaphysics, god, reasons, foundations, alternating series proof, causal proof Einleitung: Was uns unbedingt angeht Auch wenn für viele Menschen heutzutage Gott — seine Existenz, sein Wesen und sein Verhältnis zum Menschen - nicht einmal mehr eine Frage wert zu sein scheint, so hört die Menschheit doch nicht auf, nach einem Sinn und Wert zu suchen, der das Leben, zumal das von Krankheit, Schuld, Tod, Missverständnis und Versagen bedrohte Leben, trägt und erfüllt. Und so verrät alles, was einen Menschen schon bloß subjektiv auf unbedingte Weise angeht, bewegt und verpflichtet, nach Aussage des bedeutenden Religionsphilosophen Paul Tillich (1886 bis 1965) einen wenn auch oft unbewussten oder gar ungewollten Bezug zum Göttlichen.1 Sinn und Wert, für die es sich zu leben, zu arbeiten, zu kämpfen und vor allem zu leiden lohnt, wären aber, um mit Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) zu reden, „Schall und Rauch“,2 wenn sie nicht irgendwie mit dem Sein und mit der Wirklichkeit verbunden wären. Ein nur gedachter oder imaginärer Wert, ein Sinn, der sich nirgends im Leben platzieren ließe und nie Wirklichkeit würde, bliebe belanglos und wäre weniger als eine Phantasmagoric, die man wenigstens zum Inhalt eines realen Science-Fictionfilms machen kann. Sinn und Wert, die in der Lage sein sollen, unser wirkliches Leben, unser Leben mit all seinen Leidenschaften und Kämpfen, Lasten und Störungen, 1 Vgl. Tillich, P., Auf der Grenze. Aus dem Lebenswerk Paul Tillichs, Stuttgart 1962. 2 Zitat aus dem Drama »Faust I« (Vers 3457) von Johann Wolfgang von Goethe.