Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

DIE GOTTESFRAGE ALS EXISTENTIELLE FRAGE... 51 riesige und vielerlei Unterschiede, aber wir sind völlig ebenbürtig in dem Aus­gesetztsein der Möglichkeit des Leids und des Todes. Wir sind ebenbürtig in der Ausgesetztsein der Fehlbarkeit der Sünden gegenüber, weil entweder wir selbst Sündiger sind oder wir zum Opfer der Sünde des anderen Menschen werden. Diese drei Gefahren sind universale Gefahren, keiner kann sich ihnen entziehen. Je Leid, Tod und Sünde umfänglicher anwesend sind, desto mehr kann das menschliche Sein als sinnlos brandgezeichnet werden. Konfrontie­rend uns mit der Übermacht dieser Phänomene werden für uns die sinnvolle Eingerichtetheit der Welt, die positive Beurteilung des Weltalls fragwürdig. Hat mein Leben Sinn? Was für einen Sinn kann mein Leben haben? - stellen wir die Fragen, wenn die zwischen unserem faktischen und gewünschten Le­ben bestehende Differenz schon zu groß geworden ist. Der Gottesglaube kann meines Achtens oft auf Scheidewegen des Lebens geboren oder neugeboren werden, auf denen zwei extreme Möglichkeiten, die Möglichkeit der Verzweiflung und die Möglichkeit des Gottesglaubens, d.h. die Zuversicht Gott gegenüber bestehen. Eine solche extreme Gegenüberstel­lung von meiner Seite kann als radikale Denkweise beurteilt werden, man darf aber nicht abstreiten, dass es oft wirklich Situationen, Fakten von menschli­chen Leben obwalten, im Spiegel derer das Subjekt oder auch der Betrachter nur diese extremen Möglichkeiten erleben kann. Die Glaublosigkeit, die Ver­zweiflung drücken aus, dass die Natur in uns, in unser menschliches Wesen solche Wünsche, Bestrebungen hineinschichtete, die eigentlich sinnlos sind, da unsere Wünsch und Bestrebungen auf Glückseligkeit, auf Vollendung nicht eingelöst und nicht garantiert werden können. Falls es aber jene Realität, die das Christentum Gott nennt, gibt, falls es aber jene Realität, die wir als Eieil nennen, gibt, dann besitzt der Mensch doch die Berechtigung auf jene Hoff­nung, nach der das Leben mit dem Tod nicht abgeschlossen wird, nach der die Sinnlosigkeit bestimmter Ereignisse nicht in ihrer Endgültigkeit erstarrt, nach der die von der Sünde verursachten Wunden heilbar sind. Wenn die Kraft der Verzweiflung uns stark anpackt und in die Tiefe ziehen will, dann wankt unser Glaube. Unsere Ängste bedrohen jene Zuversicht, die wir in uns der Welt, uns selbst und Gott gegenüber tragen. Im 9. Kapitel des Evangeliums nach Mark findet man die Geschichte über jenen Vater, der in seiner Hoffnungslosigkeit Jesus bittet: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ (Mk 9,24) Dieser Vater - hoffnungslos aufgrund der Krankheit seines Sohnes — wankt und zögert zwischen Glauben und Unglauben, zwischen Zuversicht und Verzweiflung. Es gibt viele Menschen, die sich ähnlich verhalten. Wir selbst verhalten uns ab und zu auf diese Weise. In der Bibel kommt der Aufruf „Fürchte dich nicht!“ vielmals vor. Heilige, Gläubige erzählen oft über jene Erfahrungen, in denen sie eben inmitten drü­ckenden Aussichtlosigkeiten, inmitten zudringlichen Verzweiflungen waren, aber Gott zu ihnen hintrat, und ihre Ängste auflöste. Lesen wir die Wunder-

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