Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

DER PRIESTER IN DER ANZIEHUNG VON CHRISTUS 61 Auch der Priester glaubt an den Christus der Kirche, das heisst den Christus der Geschichte und des Glaubens, der grundsätzlich eine und dieselbe Person ist, trotzdem nimmt ihn der Priester wirklich dann in Besitz, wenn er durch die eigene Persönlichkeit durchdrungen ist.5 Und er soll auch seinen eigenen Chris­tus sozusagen - immer wieder - in seiner eigenen Seele, in seinem Selbstzent­rum schaffen und ihn auf den Thron seines Ichs aufheben. Auf diese Weise wird sein Bewusstsein immer mehr vom Christi Geist bestimmt werden. Dieses persönliche Betroffensein und Inspiriertsein ist die Grundlage, aber auf irgendeine Weise auch der Zweck und das Ziel des priesterlichen Lebens. So kann er auch andere in den mystischen Leib von Christus einbeziehen. Heute scheint dieser Charakterzug bei den Priestern schwächer zu werden - so wird auch unser katholisches und priesterliches Identitätsbewusstsein schwächer. Als ob wir unsicherer geworden wären, dass die Menschen schwer angespro­chen werden können, als ob sie kein Interesse an Gott und seinem Werk hätten; als ob der attraktive priesterliche Erfolg den Wert unserer Zugehörigkeit zu Christus messen würde, und wenn der Erfolg ausbleibt, haben wir das Gefühl, als wenn Christus doch nicht der Versprochene wäre, das heisst als müssten wir ihm mit keiner Hingabe mehr folgen. Eben deshalb behaupten wir, dass die Grundlage jeder Evangelisation im Durchdrängen mit Christi Gesinnung be­steht. Das ist nicht nur der Grund sondern auch der Zweck und das Ziel, es ist sogar auf eine bestimmte Weise das grösste Geschenk des Lebens, die Herr­lichkeit selbst, Ihm ähnlich zu sein.Wir sollen und dürfen nicht vergessen, dass das Heil mit all seinen Dimensionen zusammen persönlich ist, und eben des­halb ist das Hauptwerk unseres Lebens die christliche Qualität unserer eigenen Persönlichkeit: das Heiligsein, das heisst das Gefülltsein mit den theologischen und moralischen Tugenden und ihre heldenhafte Ausübung. Um bezüglich der Person von Jesus die Wahrheit zu erreichen, müssen wir fortwährend seine Persönlichkeit, deren Unvergleichlichkeit fortwährend stu­dieren, und wie es durch unsere Kräfte zugelassen wird, sollen wir ihm auch folgen. Dabei sind die Werke und das Lesen der Autoren und spirituellen Schriftsteller behilflich, die ihren objektiven und persönlichen Christus geschaf­fen haben, die im Christus der Kirche den wahren Christus aufgefunden haben, und das ist auch ihr persönlicher Christus geworden. Machen wir uns also auf den Weg, und versuchen wir die Gesinnung und Persönlichkeit von Jesus zu erfassen und uns mit seinen Zügen durch sie zu identifizieren, wollen wir uns also in seine Gefühle kleiden, uns in seinen Ge­5 Die Persönlichkeit schliesst den Subjektivismus aus. Darüber ausführlicher siehe: Horváth, S., Intuíció és átélés [Intuition und Erleben!, in Horváth, S., Örök eszmék és eszmei magvak Szent Tamásnál. Bölcseleti és hittudományi tanulmányok [Ewige Ideen und Ideensamen bei Heiligen Thomas, Philosophische und theologische Studien], Budapest 1944. 115-184.

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