Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)
SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die Gnade Gottes und der Heilige Geist in der Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus
22 IMRE KOCSIS Herrlichkeit, die Adam bei der Schöpfung erhielt, aber durch seinen Ungehorsam verlor.12 Andererseits werden sie alle in derselben Form gerechtfertigt: nicht auf Grund ihrer Verdienste, sondern ausschließlich auf Grund der Gnade, das heißt als Folge der Gnadentat Gottes. In der Erörterung der Rechtfertigungslehre des Briefes kommt das Substantiv xápig hier zum ersten Mal vor. Bei Beachtung des Inhalts der 4-5. Kapitel können wir zwei Gesichtspunkte bezüglich des Substantivs hervorheben. Vor allem wird der Gedanke der Unentgeltlichkeit akzentuiert,13 dem Paulus auch dadurch Nachdruck gibt, dass er das betreffende Substantiv mit dem Adverb Scopedv verbindet, dessen Bedeutung ist: geschenkweise, unentgeltlich, umsonst.14 Der Apostel gibt uns auf diese Weise unmissverständlich zur Kenntnis: dem Glaubenden wird die Rechtfertigung ohne irgendeine vorangehende Ueistung als freies und unverdientes Geschenk zuteil. Der andere Gesichtspunkt ist die Opposition der Sünde gegenüber. Während die Sünde jeden Menschen der Herrlichkeit Gottes beraubt hat, bewirkt die Gnade Gottes, die in der Erlösung durch den Kreuzestod Christi offenbar wird, die Gerechtigkeit aller Gläubigen. Die Gnade ist also „das Gegenmittel“ der Sünde, ja sogar sie ist, wie U. Wilckens treffend formuliert, „die Gegenmacht gegen die Sünde“.15 „Darum bevorzugt Paulus dort, wo jüdische Tradition von Gottes Barmherzigkeit, Güte, Langmut und Geduld spricht das Wort ^ápic;. Die Gnade ist in ihrer Wirkung ungleich kräftiger und radikaler als die Barmherzigkeit, die in atl. Tradition Sünder anriefen: Sie ist die eschatologische Heilsmacht. in der Gott die Sünde aller und ihre Verurteilung durch das Gesetz aufgehoben hat.“16 12 Vgl. die Apokalypse des Moses 20, wo Adam nach dem Sündenfall mit tiefen Leid fragt: „Ich bin entfremdet meiner Herrlichkeit, womit ich bekleidet war?“. Die Quelle des Zitats: Weidin- GER, E. (Hrsg.), Die Apokryphen. Verborgene Bücher der Bibel Augsburg 1989. 42. 13 Auf diesen Gesichtspunkt macht Paulus im weiteren Teil des Briefes mehrmals mit Nachdruck aufmerksam: „Dem, der Werke tut, werden diese nicht aus Gnade angerechnet, sondern er bekommt den Lohn, der ihm zusteht“ (4,4); „aus Gnade, nicht mehr aufgrund von Werken; sonst wäre die Gnade nicht mehr Gnade" (I 1,6). 14 Vgl. Bauer, W„ Wörterbuch zum Neuen Testament. Berlin-New York 1971.417. 15 Wilckens, U„ Der Brief an die Römer I (EKK VI/1 ), Zürich 1987? 189. 16 Ebd. Zum Gebrauch des Substantivs záplí bei Paulus und im Neuen Testament vgl. Conzelmann, H., Art. ¡n ThWNT IX (1959) 377-393. Berger, K., Art. x«PiQ in EWNT III (1983) 1095-1102. Theobald, M., Die überströmende Gnade. Studien zu einem paulinischen Motivfeld. Würzburg 1982.