Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)

SACRA THEOLOGIA - Hermann Stinglhammer, Die beste aller Welten? Kann man angesichts von Katastrophen noch an einen guten Schöpfer glauben? - Fundamentalteologische Erkundungen

DIE BESTE ALLER WELTEN?... 85 hinreichend uneindeutig. Auch in ihr drängt sich das Göttliche nicht per se auf. So folgt etwa die scholastische Tradition der freiheitstheologischen Sicht der alttestamentliche Sündenfallerzählung (Gen 3,1-13), wenn sie daran festhält, dass der paradiesische Mensch seine Wahl Gottes gerade im Raum einer intakten Endlichkeit zu treffen hat, um sich in ihr als Geschöpf Gottes zu affirmieren. Im Blick auf die anderen Thesen - leidverursachende Gesetze als Ermög­lichung menschlicher Sittlichkeit und Personalität - ist differenzierter zu ant­worten: 1. sind deren Argumente nicht vorneweg von der Hand zu weisen, auch wenn ihnen die deutschsprachige Theologie - wohl aus dem spezifischen deutschen Kontext heraus („Theologie nach Auschwitz“) - kaum theologische Dignität zukommen lässt. Jedoch kennt die biblische Glaubenserfahrung zumindest die Möglichkeit eines sittlichen Reifens des Menschen und seine Veränderung zum Guten gerade auch in Drangsal und Not. Ein Erfahrung, die nicht wenige auch für sich selbst übernehmen können. Man kann also diesen Argumenten durchaus folgen. Dies gilt aber so nicht für ihre Voraussetzungen. 2. stellt sich daher die Frage, ob sittlich-persönliches und religiöses Reifen nicht auch im Rahmen weit weniger leidvoller Gesetze möglich sein könnte. Kann der Mensch nicht auch gut und gläubig sein ohne Erdbeben und Wirbelstürme? Braucht es dazu wirklich HIV und epidemischen Krebs? Zudem gilt auch das Gegenteil: Leiden macht nicht nur menschlicher, besser oder frömmer. So kann Camus’ Doktor Rieux in der „Pest“ sagen: „Wer den Krieg mitgemacht hat, weiß kaum noch was ein Toter ist.“ Ich komme zum zweiten Antwortversuch, der als die „no-better-world-These“ charakterisiert werden kann.5 III. Die „no - better - world“ These: Die eben genannten Argumentationen gehen implizit davon aus, dass Gott jede beliebige Welt schaffen könnte, um das Schöpfungsziel des sittlich-freien Menschen zu erreichen. Minimalbasis sei einzig und allein Regelmäßigkeit und natürliche Übel. Gegen diesen schöpfungstheologischen Nominalismus steht die sog. „no-better-world“-Theorie. Sie geht auf der Basis unseres einheit­lich strukturierten Kosmos gerade nicht davon aus, dass jedes mit bestimmten Merkmalen beschreibbare Universum physikalisch beliebig und widerspruchs­frei möglich sei.6 Dies gilt zumal dann, wenn es sich um ein so hochkomplexes 5 Vgl. Kreiner, A„ Gott im Leid, 364-379. Dort werden auch die entsprechenden Vertreter dieser Position angeführt. Vgl. dazu auch den stark an der Evolutionstheorie orientierten Ansatz von Peacocke, A., Gottes Wirken in der Welt. Theologie im Zeitalter der Naturwissenschaften, Mainz 1998. 6 Vgl. Kreiner, A., Gott im Leid, 372.

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