Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Krisztián Vincze, Die Realität und die würde des Leidens in der Philosophie von Simone Weil
114 KRISZTIÁN VINCZE lichtartige Analogien sind, könnten noch weiter geführt werden. Im Spiegel dieser Parallelen hat man aber die berechtigte Hoffnung und die fruchtbringende Chance, die Gedankenwelt von Simone Weil mit der christlichen Theologie und auch mit den aktuellen Theodizeediskursen in Dialog zu bringen, um zu einem umfassenderen Verständnis des Leidens zu gelangen. Offensichtlich birgt das Ganze der Philosophie von Weil viele ernste Probleme in sich, die von christlichen Theologen und Philosophen nicht außer Acht gelassen oder nicht geringgeschätzt werden können. Oft trifft man in ihren Werken auf Gedanken, die aus dem Buddhismus schöpfen. Wichtige Fragen sind in diesem Zusammenhang, in welchem Maß Simone Weil die menschliche Freiheit für wirklich hält und ob für sie eine personale Existenz im Jenseits für den Menschen überhaupt vorstellbar ist. Weil scheint mit der These einverstanden zu sein, dass aus der Schöpfung der sündige Zustand des Menschen ohne Bedingungen, notwendigerweise folgt. Trotz dieser Fragen ist eine ihrer Tugenden, eine mystische Annäherungsmöglichkeit an das Leiden erschlossen zu haben, wie man auch in den folgenden Sätzen erahnen kann: „Das Unglück ist das sicherste Zeichen, dass Gott unsere Liebe will, es ist die wertvollste Bezeugung seines Feingefühls. Das ist etwas ganz anderes als väterliche Strafe. Es wäre zutreffender, das Leiden mit den zarten Kampeleien zu vergleichen, durch die die jungen Verlobten einander über die Tiefe ihrer Liebe versichern. Wir haben den Mumm nicht, ins Gesicht des Unglücks zu schauen, weil wir nach kurzer Zeit das Gesicht der Liebe erkennen, wie einst Maria Magdalena erkannte, dass der, den sie für den Gärtner hielt, ein anderer war. Die Christen, die das Unglück in ihrer Religion für zentral halten, müssten nachvollziehen, dass das Unglück gewissermaßen das Wesen der Schöpfung ist. Geschöpf zu sein bedeutet, nicht unbedingt unglücklich zu sein, aber notwendigerweise in der Bedrohung des Unglücks zu leben."37 37 Weil, S., Szerencsétlenség és istenszeretet, 684.