Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient
TRADITIONSAUSLEGUNG AM KONZIL VON TRIENT 93 beziehen sich auf liturgisch-disziplinäre Ordnung dieser Art und die darin mittelbar zum Ausdruck kommenden Glaubensinhalte.45 Schließlich besagt die dritte Hauptaussage des Dekrets Sacrosancta, dass die katholische Kirche sowohl alle Bücher des Alten und Neuen Testaments, wie die Traditionen bezüglich des Glaubens und der Sitten „mit der gleichen Gesinnung der Frömmigkeit und Ehrfurcht annimmt und verehrt (pari pietatis affectu ac reverenda suscipit et veneratur)”. Den lateinischen Ausdruck „pietas“, der gemeint war, das griechische Wort „eusebeia“ zu wiedergeben, wird am Konzil vom Werk Über den Heiligen Geist des Heiligen Basilius dem Großen übernommen. Bei dem Kirchenvater ist diese Formulierung zu lesen: „Unter den in der Kirche bewahrten Glaubenslehren und Verkündigungen (Soypcnpcov Kai KipuypaTCOv) besitzen wir die einen aus der schriftlich festgelegten Unterweisung (èK ifjç éyypctcpou SiSacnca/iac;), die anderen haben wir von der Tradition der Apostel (èK xf|Ç Ttàv ötiocttoäcöv napaSóascog) auf dem Weg des Mysteriums (év pucrnpup) überliefert empfangen. Beide haben für die gläubige Hochachtung (rcpoç ipv euaeßeiav) die gleiche Bedeutung.“46 Congar betont, dass der durch pietas wiedergegebene eusebeia das Verhalten bedeutet, das all die Hochachtung und den Vertrauen in sich trägt, was der Mensch all dem gegenüber zu zeigen hat, was zum Heil führt oder dem Heil dient (siehe: lTim 4,8).47 Nun sind sowohl die kanonischen Schriften, wie die nicht geschriebenen apostolischen Traditionen dieser Art. Wie die Konzilsdokumente es belegen, löste der Gedanke, dass die Traditionen gleicherweise und mit der gleichen Frömmigkeit anzunehmen und zu verehren sind, wie die kanonischen Bücher, heftige Diskussionen aus. Wie könnte man die geschriebenen 45 Z.B. lehrt das Konzil über das Kanon der heiligen Messe: „Er besteht nämlich sowohl aus den Worten des Herrn selbst als auch aus den Überlieferungen der Apostel und ferner den frommen Einrichtungen heiliger Päpste.” DH 1745. Ähnlich führt es verschiedene Momente der Liturgie der heiligen Messe (DH 1746) oder den Brauch, dass die Glaubenslehrlinge die Kirche um den Glauben bitten (DH 1531) auf die apostolische Lehre und Tradition zurück. Das Konzil erwähnt das Evangelium/die Bibel und die apostolischen Traditionen öfters zusammen (manchmal mit der Lehre der heiligen Väter und den Konzilien) als Fundamente des Glaubens und liturgischen Lebens der Kirche (siehe: DH 1520, 1600, 1695,1750 1766, 1800, 1807). 46 De Spiritu Sancto, 66. Basilius von Cäsarea, Über den Heiligen Geist (Fontes Christiani 12), Freiburg-Basel-Wien 1993. 273-275. In der kritischen Ausgabe ist die folgende deutsche Übersetzung zu lesen: „Unter den in der Kirche bewahrten Glaubenslehren und Verkündigungen besitzen wir die einen aus der schriftlich festgelegten Unterweisung, die anderen haben wir von der Tradition der Apostel auf dem Weg der Mysterien überliefert empfangen. Beide haben für den Glaube die gleiche Bedeutung.“ Ich habe diese Übersetzung ein wenig verändert, um die Bedeutung des griechischen Wortes „eusebeia“ zu herausheben. Der griechische Satz - änep àptpÓTepa rpv aùrr|v iaxuv êxst rcpoç tqv eüaeßetav - sagt wörtlich genommen, dass beide dieselbe Kraft zur gläubigen Hochachtung haben. Die lateinische Übersetzung lautet: „quorum utraque vim eadem habent ad pietatem“. 47 Congar, Y., Die Tradition und die Traditionen, I. 200.