Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient
86 ATTILA PUSKÁS Konzils die Absicht, demnach der Glaubensinhalt der Rechtfertigung in sich kein genügendes Kriterium der christlichen Lehre und des Lebens der Kirche ist, vielmehr erst die Vollkommenheit des Glaubensbekenntnisses diese Aufgabe zu erfüllen vermag. (3) Luther und die Reformatoren akzeptierten die Dogmen der ökumenischen Konzilien der ersten fünf Jahrhunderte und das Nicäno-Konstantinopolitanum als richtige Interpretationen des Glaubens.24 In diesem Sinne knüpften sie sich bewusst der Glauben stradi tion der alten Kirche an, wenngleich sie das Verhältnis von Tradition und Schrift anders als das Tridentinum auffassten. Ist dem so, dann konnte das beiderseits bekannte Nicäno-Konstantinopolitanum kaum in sich als hermeneutisches Kriterium der Klärung und Entscheidung der theologischen Streitfragen dienen. Folglich konnte es, ist man gedrängt zu sagen, unmöglich in sich die Rolle der regula fidei in der katholisch-protestantischen Diskussion spielen, welche ihm das Tridentinum zugeordnet25 und es an den alten Konzilien immer gespielt hatte. IV. Die Rolle der Tradition in der Kirche Das Konzil hat neben der Deklaration über die Rezeption des Nicäno- Konstantinopolitanum im Dekret über die Annahme der heiligen Schriften und der Traditionen der Apostel seine eigene erkenntnistheoretisch-hermeneutische Einstellung festgehalten. Wobei vorheriges üblich, war letzteres neu in der Geschichte der Konzilien. Nach der Deklaration der Annahme des Glaubensbekenntnisses in der dritten Sitzung beschloss das Konzil in der vierten Sitzung im Dekret Sacrosancta über die Annahme der heiligen Schriften und der Traditionen der Apostel. In diesem als erkenntnistheoretische Einführung gemeinten Text zu den späteren Dekreten geht es also wieder um eine Rezeption: Das Konzil definiert oder bestimmt nichts, es nimmt die heiligen Schriften und die Traditionen der Apostel gehorsam an und verehrt sie. Das Konzil verhält sich ähnlich zu ihnen wie zum Glaubensbekenntnis, d.h. seine Lehre erkennt diese für normativ für den christlichen Glauben. Der kurze Text, ein einziger mehrmals zusammengesetzter und mit Sorgfalt formulierter Satz, lautet: 24 Der erste Glaubensartikel der Confessio Augustana beginnt wie folgt (CA I, 1): „Erstlich wird einträchtiglich gelehret und gehalten laut des Beschluß Concilii Niceani, daß ein einig göttlich wesen sei (...)” (Projekt Gutenberg-DE: Melanchton, Ph., Die Augsburgische Konfession, Der I. Artikel: Von Gott. Der Text bezieht sich auf das 381 vom ersten Konzil von Konstantinopel angenommene Glaubensbekenntnis). 25 Aufgrund altkirchlicher Erfahrungen sah das Konzil im Glaubensbekenntnis ein geeignetes Mittel der Bekehrung der Ungläubigen, der Stärkung der Gläubigen und der Bekämpfung der Irrlehrer. „(...) patrum exempla in hoc secuta, qui sacratioribus conciliis hoc scutum contra omnes haereses in principio suarum actionum apponere consuevere, quo solo aliquando et infidèles ad fidem traxerunt, haereticos expugnarunt et fideles confirmarunt.” COD III. 662, 15.