Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die christologische Interpretation von Gen 2,7 in 1 Kor I5,44b-49
20 IMRE KOCSIS duum.36 Deshalb können wir einen direkten Einfluss der phiionischen Lehre nicht für wahrscheinlich halten. Aber wegen des polemisch klingelnden V. 46 (’’Aber nichts zuerst das Pneumatische, sondern das Psychische, dann das Pneumatische”) kann man die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Auffassung von Philo (oder eine entwickelte Form von ihr) von einer Gruppe der korinthischen Gemeinde angenommen wurde und Paulus gegen diese Gruppe polemisierend schreibt.37 c) Eine dritte Gruppe der Ausleger beruft sich auf die Menschensohntradition. Diese Exegeten machen darauf aufmerksam, dass wir in den paulinischen Briefen nie den sowohl bei den Synoptikern als auch bei Johannes bekannten Titel ó uiôç toö àv0pcû7tou finden. Die Tatsache könnte man ganz simpel so erklären: Paulus übersetze den aramäischen Ausdruck ~Q einfach mit dvOpcôTCOÇ, weil dieser so den griechischen Adressaten viel verständlicher werde.38 Darüber hinaus bestehe auch eine inhaltliche Verwandtschaft zwischen der Menschensohntradition und der paulinischen Christologie: „Paulus begreift Christus so, wie die jüdisch-christliche Apokalyptik vor ihm den Menschensohn begriffen hat. Als der himmlische Mensch vermittelt er denen, die zu ihm gehören endzeitliches Heil in der Zukunft.”39 Ich halte auch diesen Erklärungsversuch für unzulänglich. Es ist zwar gar nicht ausgeschlossen, dass die Menschensohntration Paulus hätte bekannt sein können, aber den Inhalt der besprochenen Perikope hat er nicht aufgrund dieser Tradition ausgearbeitet. In 1 Kor 15,44b-49 steht die Auferstehung im Zentrum der Aufmerksamkeit. In der Menschensohntradition dagegen werden die Präexistenz und die Ankunft am letzten Tage hervorgehoben. Die Figur des Menschensohnes war also ungeeignet, ein wesentliches Moment des Christusmysteriums, das heißt die Auferstehung auszudrücken. Außerdem entspricht sie auch nicht dem typologischen Verständnis. Wir können zusammenfassen: Die Anwendung an die gnostischen und jüdischen Vorstellungen von einem Himmelsmenschen ist weder geeignet noch notwendig, wenn wir die Formulierung ö Sf.ùxspoç avGpûmoç erklären möchten. Es reicht einfach, wenn wir bedenken: In V. 48 zieht der Apostel eine konkrete Folgerung aus der Adam-Christus-Typologie für die Menschen. In V. 47 will er diese Folgerung vorbereiten und deshalb benützt er das Wort ctv9po> noc, an Stelle von A8ctp. 36 Vgl. Schräge, W., Der erste Brief an die Korinther IV, 275. Der deutsche Exeget erwähnt auch andere Unterschiede: Bei Philo ist weder von jtveöga Çcpottoioüv noch von dessen lebensschaffender Funktion die Rede. Auch die Ausdrücke vuxikôç und nveugomKÔç fehlen im Zusammenhang der Auslegung der Schöpfungsgeschichten. Vgl. Ebd. 276. 37 So besonders Merklein, H. - Gielen, M„ Der erste Brief an die Korinther, 365. Immerhin kann V. 46 auch auf andere Weise, ohne eine Voraussetzung äußerer Einflüsse erklärt werden. Paulus polemisiert gegen die Korinther, die sich so betrachten als ob sie schon zu der pneumatischen Welt gehören würden. Der Apostel möchte ihnen einfach klar machen, dass sie noch „psychisch” sind. Vgl. Teani, M, Corporeità e risurrezione, 256.