Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
DIE „RELIGIONSPHILOSOPHIE” JOHANN-GOTTLIEB FICHTES 127 konnte Fichte dieses Boden behaupten? „Wie kommt es denn, dass die Philosophie dieses Mannes, der auf den Glauben in seinem Denken so gar nicht Rücksicht genommen hat, in ihrem zentralen Sinn zur Philosophie der Offenbarung geworden ist; dass diese Philosophie als erste den Begriff der Person und des Interpersonalen Verhältnisses entfaltet hat und gerade auf jener Grundvorstellung beruht, welche das Alte und das Neue Testament von antiken Heidentum zutiefst unterscheidet und trennt, nämlich dem Verständnis des Geistes als freier Antwort in freiem Aufgerufen-Sein durch Gott?”116 Lauth gibt auf diese Frage die folgende Antwort: „Fichte wollte im Philosophieren nichts als Philosoph sein. Er ist ohne Furcht und ohne Rücksicht, vor allem ohne weltanschauliche Nebenabsichten gerade auf die Wahrheit zugegangen. Aber als Mensch war er religiös, und diese Religiosität gab ihm die Möglichkeit, von einer Erfahrung - und Existenzbasis auszugehen, die allein die wahre und vollständige ist.”117 - Lauth schließt mit dem berühmten Fichte-Zitat: „Was für eine Philosophie man wählt, hängt (...) davon ab, was man für ein Mensch ist.”118 Inhaltlich mindestens verdienen die Äußerungen Lauths Glauben, denn er hat das ganze Opus von Fichte so gut gekannt, wie kein anderer. Auf jeden Fall ist darauf aufzumerken, wie er die Entdeckung Descartes (und die Ausführung Fichtes) charakterisiert: im Gegensatz zum anderen und bisherigen Denken geht das transzendentale Denken nicht vom Sein, sondern vom Bewusstsein aus.119 Dass dies auch für den Gottesgedanken schwerwiegende Folgen haben kann, beweist nicht nur der Atheismusstreit im Falle Fichtes, sondern das Endergebnis des Idealismus. Lauth behauptet, die Philosophie Fichtes sei zur Philosophie der Offenbarung geworden (und nicht die von Schelling - R. Z.); dass diese Philosophie im Geiste Kants (sogar Spinozas und Lessings) bei Fichte ihren Anfang hat, beweist sein Erstlingswerk. Über die Folgen der Entdeckung der Person und Interpersonalität (u.a. bei Gogarten) hat Stadler seine Meinung schon geäußert. Dass diese Philosophie auf der Grundvorstellung des Alten und Neuen Testamentes beruht erhält ihre echte Bewertung, wenn man den theologischen Dilettantismus und seine willkürliche Johannes - und Paulusinterpretation vor Augen hält. - Dass diese Grundvorstellung ein „Verständnis des Geistes als freier Antwort in freiem Aufgerufen-Sein durch Gott” interpretiert, soll man zugeben, allerdings im Bewusstsein, dass bei Fichte das Ausseinanderhalten von Ich und Gott, Immanenz und Transzendenz, nicht unbedingt eindeutig ist. 116 Ebd. 117 Ebd. 118 Ebd. - vgl. Erste Einleitung in die Wissenschafislehre,2 \. 119 Lauth, R., Die Bedeutung der Fichteschen Philosophie, 152f.