Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität

DIE „RELIGIONSPHILOSOPHIE" JOHANN-GOTTLIEB FICHTES 105 die Offenbarung nicht überflüssig, denn ohne sie würde man in grösste Irrtümer verfallen.24 In diesem Punkte scheint sich Fichte von Spinoza/Lessing zu entfernen und der Standpunkt Kants, gegen den Petzold doch die Polemik geführt hat, scheint ihm unbekannt gewesen zu sein. Fichte behauptet nämlich die Notwendigkeit der Offenbarung, die ein „Mehr” im Verhältnis zur natürlichen Religion - zur „Vernunft” beinhaltet. Dieses „Mehr” und diese Notwendigkeit besteht nach Fichte in dem Inhalt der Offenbarung: und der ist die Vergebung der Sün­den, welche uns für die Verbesserung der Seele (ad emendandum animum) nötig ist.25 Aus der Natur der geoffenbarten Religion folgen ihre Eigenschaften a-priori: die geoffenbarte Religion kann nicht mit der echten natürlichen Religion in Widerspruch stehen. (Das wird wohl ein jeder behaupten, das ist hier aber wieder eine Annäherung an Spinoza/Lessing und weist schon in die Richtung der „Offenbarungsschrift” - des Erstlingswerkes Fichtes); sie kann die Vernunft über neue und unbekannte Inhalte belehren {nova et incognita - worin sich Fichte wiederum von der rationalistischen Auffassung der Offen­barung und der Religion entfernt - obwohl er den milderen Ausdruck: „potest” gebraucht); sie soll durch Wunder und Prophezeiungen (miracula et vaticinio) als geeigneten Argumenten (idoneis argumentis) bestätigt werden. Wiederum kann (potest) die geoffenbarte Religion Mysterien beinhalten (diese definiert Fichte mit den folgenden Worten: „potest mysteria continere”. - Ein „myste- rium” ist eine „nodo indeterminata et rationi humanae indeterminabilis. Sunt mysteria ignoratae causae, ignorati modi, ignorati consilii”).26 - Es ist gut, dass Fichte seine Gedanken mit „potest” einführt. Allerdings ist zwischen dem hier Gesagten und dem „Versuch einer Kritik aller Offenbarung” eine bedeutende Entfernung. Wenn Fichte in diesem Zusammenhang, Petzold folgend von der „Authentizität” der Heiligen Schrift und von einer „Quellenkritik” spricht, so kann man dahinter sowohl im Falle von Petzold,27 als auch von Fichte die Diskussionen der Zeit (Lessing, Goetze, Reimarus) vermuten. Auffallend ist auch die Abwesenheit des moralischen Momentes, was doch später gewiss unter dem Einfluss Kants so stark in den Vordergrund tritt, vor allem, wenn es um die Ableitung der Moral aus dem „praktischen Interesse” der Vernunft geht. Es ist sicher, dass Fichte in Leipzig die Vorlesungen von Ernst Platner (1744-1818) besucht hat. Platner war ursprünglich Professor der Medizini­schen Fakultät, dozierte aber auch Logik und Metaphysik, und verfasste eine philosophische Anthropologie.28 Er vertrat einen „Leibnizianismus”. unter star­24 Ebd. S. 44. 25 Ebd. 26 Ebd. 27 Ebd. 46ff. 28 Platner, E., Anthropologie für Aerzte und Weltweisen, Leipzig 1771 [?].

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