Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband

DAS VERFAHREN ZUR ENTLASSUNG VON PROFESSMITGLIEDERN... 209 bei einem Fehlverhalten, das erst mit seinem Andauern entlassungswürdig wird, schon zu Beginn die erste Verwarnung ausgesprochen wird. So kann also durchaus bei einem Ordensmitglied, das beispielsweise nach seinem drei­wöchigen Urlaub ohne rechtfertigenden Grund nicht ins Kloster zurückkehrt, sofort die erste Verwarnung ausgesprochen werden. Der Obere muss nicht et­wa warten, bis sechs Monate abgelaufen sind, um verwarnen zu können. Auch die zweite Verwarnung kann dann beispielsweise nach einem weiteren Monat ausgesprochen werden. Sind dann sechs Monate abgelaufen, ohne dass der Betroffene in den Verband zurückkehrt, kann der Obere sofort die Akten an den höchsten Leiter beziehungsweise an den Diözesanbischof weitergeben. Auf dieser Ebene fällt nun die Entscheidung über die Entlassung des Mit­glieds. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die aufgelaufenen Beweise, die Ar­gumente und die Verteidigungsgründe genau abgewogen werden müssen. Es ist nicht davon die Rede, dass eine weitere Beweiserhebung vorgenommen oder der Beschuldigte direkt angehört werden müsse. Der Gesetzgeber schließt aber auch nicht aus, dass der höchste Leiter oder der Diözesanbischof solche Schritte setzen, wenn es ihnen für eine fundierte Entscheidung notwendig er­scheint. Aus c. 698 CIC ergibt sich sogar ein rechtlicher Anspruch des Beschul­digten, sich mit dem obersten Leiter auch in dieser Phase des Verfahrens in Verbindung zu setzen; allerdings heißt dies nicht, dass ein Anspruch auf eine persönliche Anhörung durch den supremus moderator beziehungsweise den Diözesanbischof gegeben ist. Die Ausstellung des in rechtlicher und sachlicher Hinsicht einer Begründung bedürftigen Entlassungsdekrets erfolgt durch den höchsten Leiter beziehungs­weise durch den Diözesanbischof. Der supremus moderator darf das Dekret aber nur auf der Grundlage eines Beschlusses ausstellen, den er zusammen mit seinem Rat kollegial gefasst hat; er trifft also nicht allein die Entscheidung über die Entlassung. Die Zahl der Ratsmitglieder muss wenigstens vier betragen, da­mit ein gültiger Beschluss gefasst werden kann (c. 699 § 1 CIC). Den Oberen mit eingerechnet, entscheiden also mindestens fünf Personen über die Entlas­sung. Die kollegiale Vergehens weise bringt es mit sich, dass der höchste Obere gegebenenfalls sogar überstimmt werden kann und eine Entlassung verfügen muss, die er persönlich nicht billigt. Es liegt allerdings am supremus moderator selbst, die Sache im Rat zur Abstimmung vorzulegen, so dass man sich in der Praxis kaum vorstellen kann, dass eine Entlassung erfolgt, ohne dass sie vom obersten Leiter mitgetragen wird. Theoretisch aber ist denkbar, dass ein bezüg­lich der Entscheidung noch schwankender Oberer die Sache im Rat entscheiden lassen will und dabei überstimmt wird. Ist dagegen der Diözesanbischof für die Entscheidung über eine Entlassung zuständig, trifft er sie allein. Das ausgestellte Entlassungsdekret wird erst rechtskräftig, wenn es bei einem Institut päpstlichen Rechts von der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens (vgl. Art.

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