Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband
202 STEPHAN HAERING, OSB aus der Tatsache, dass die kanonischen Lebensverbände Gemeinschaften in der Kirche sind und mit der Trennung von der Kirche und ihrem Glauben eine Fortsetzung der Zugehörigkeit zu einer solchen kirchlichen Gemeinschaft nicht mehr möglich ist. Gemäß c. 694 §1,2° CIC beziehungsweise c. 497 §1,2° CCEO erfolgt eine Entlassung von Rechts wegen auch beim Eheschließungsversuch eines Professmitglieds. Denn durch dieses Verhalten verletzt das Mitglied sehr klar und deutlich wahrnehmbar eine wesentliche Verpflichtung der Gelübde und ein Element des Ordensstandes, so dass der Gesetzgeber daran unmittelbar die Folge der Entlassung knüpfen kann. 2. Verfahrensrechtliches Element: Förmliche Feststellung der Verwirklichung des Tatbestandes Bei den Tatbeständen gemäß c. 694 § 1 CIC beziehungsweise c. 497 § 1 CCEO erfolgt die Entlassung ipso facto, d. h. bereits mit dem Begehen der Tat. Sobald also jemand vom katholischen Glauben abfällt oder den (vollendeten) Versuch unternimmt, eine Ehe zu schließen, ist er nicht mehr Mitglied seines Klosters oder Ordensverbandes. Um die erforderliche Klarheit über diese ipso-facto- Entlassung sicherzustellen, hat der höhere Obere unter Beteiligung seines Rats unverzüglich die Beweise zu sammeln und die eingetretene Entlassung förmlich festzustellen (c. 694 § 2 CIC). Gemäß orientalischem Recht hat der Obere darüber hinaus auch die zuständige hierarchische Autorität, also den Eparchial- bischof, den Patriarchen oder den Apostolischen Stuhl, möglichst bald über diese Entlassung zu verständigen (c. 497 § 2 CCEO). Eindeutig vom katholischen Glauben abgefallen ist ein Ordensmitglied, wenn es öffentlich ein anderes religiöses Bekenntnis annimmt. Gleiches gilt bei öffentlicher Vertretung häretischer Lehren und nach herrschender Meinung auch bei einem vor staatlichen Behörden vollzogenen Kirchenaustritt.7 Im Fall der Eheschließung ist wohl eine (kirchenrechtlich unwirksame) öffentliche Erklärung des Ehewillens oder, wenn es sich um irgendeine außergewöhnliche Form zu heiraten handelt, die Verwirklichung des dortigen zentralen Elements der Eheschließung erforderlich, damit die Entlassung eintritt. Der Obere darf das Faktum, dass die Entlassung von Rechts wegen eingetreten ist, nur dann feststellen, wenn die Erfüllung des Tatbestandes sicher und beweisbar feststeht. 7 Siehe Haering, S.,Entlassung aus einem kanonischen Lebensverband (wie Anm. 1), 114(mit weiteren Nachweisen). Auch nach Inkrafttreten des Allgemeinen Dekrets der Deutschen Bischofskonferenz zum staatlichen Kirchenaustritt (Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 2012. 343-345) am 24. September 2012 kann diese Auffassung aufrecht erhalten werden; vgl. dazu Haering, S., Die neue gesetzliche Ordnung der Deutschen Bischofskonferenz zum Austritt aus der katholischen Kirche vor der staatlichen Behörde, in Klerusblatt 92 (2012) 249-257, hier: 252 f.