Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule

LEO SCHEFFCZYK UND DIE TÜBINGER SCHULE 107 „Diese nach dem Modell der Emanzipation getroffene Verhältnisbestimmung, die auch auf die Beziehung von Natur und Gnade Anwendung findet und hier zu einer Überbetonung des ethisch-personalen Charakter der Gnade führt, steht im Dienste des umfassenden Anliegens, die von der Zeitphilosophie zerbrochene Einheit zwischen Glauben und Wissen in einer Weise wiederherzustellen, die die naturhafte Verschiedenheit beider nicht antastet.“60 Scheffczyk spricht in seiner „Katholische Glaubenswelt“ von der „Lebensganzheit aus Natur und Gnade“, wie es auch seiner Intention und seiner Auslegung der „Katholizität“ entspricht.61 Kuhn geht in seinen Überlegungen weiter: diese „Einheitsstiftung gilt ihm als die eigentliche Aufgabe der spekulativen Theologie, die in Entspre­chung zur Dialektik des Vemunftglaubens das christliche Glaubensbewusst­seins durch die Vorstellung in den spekulativen Begriff erhebt, so dass aus dem bloß gewussten Glauben ein notwendig gewusster Glaube wird.“62 2. Geschichte Der „subjektiven Dialektik liegt (...) nach Kuhn die objektive Dialektik des Offenbarungsglaubens voraus, die mit dem Prozess der Dogmenentwicklung identisch ist. Hier bringt Kuhn die von der Tübinger Schule seit Anfang inten­dierte Synthese zwischen Geschichte und spekulativen Denken wieder zur Gel­tung, wobei er den Entwicklungsgedanken von dem ihm seit Drey anhaftenden Notwendigkeitsmoment befreit.“63 Scheffczyk charakterisiert die Leistung von Kuhn mit folgenden Worten: „Mit all dem hat Kuhn die Gedankenelemente der Tübinger Theologie in der weiträumigsten und in den Einzelheiten zugleich substilsten Konstruktion zu­sammengefasst, um die katholische Wahrheit dem modemen Zeitbewusstsein nahezuhalten.“64 Es geht dabei vor allem um die Katholizität, welche das Hapt- anliegen von Scheffczyk ist (und auch von den Tübingern kann man das ohne Übertreibung behaupten), aber es ist auch gleichzeitig ein ausgewogener Aus­gleich zwischen Glauben und Wissen, Theologie und Philosophie, Offenbarung und Weltvemunft.65 Diese Leistung ist nach Scheffczyk auch für den Kirchen­begriff, wie für das Schrift- und Traditionsproblem von Bedeutung.66 60 Ebd. XXV-XXVI. 61 Scheffczyk, L., Katholische Glaubenswelt, 211-219. 62 Scheffczyk, L. (Hrsg.), Theologie in Aufbruch und Widerstreit, XXVI. 63 Ebd. M Ebd. 65 Vgl. ebd. und Scheffczyk, L., Katholische Glaubenswelt, 37 ff.: Das katholische „und“ als Denkansatz. 66 Vgl. Scheffczyk, L. (Hrsg.), Theologie in Außruch und Widerstreit, XXVI.

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